Worum geht es in dem EuGH-Urteil?
Die Richter haben entschieden, dass Pflanzen, die mithilfe der Genschere
Crispr und ähnlicher Labormethoden gezüchtet wurden, als gentechnisch veränderte Organismen anzusehen sind. Entsprechende Sorten und daraus hergestellte Lebensmittel müssen deshalb gekennzeichnet werden. Zudem gelten die gleichen strengen Zulassungsregeln wie bei Pflanzen, die mithilfe der bisher üblichen gentechnischen Methoden gezüchtet wurden. Solche Pflanzensorten müssen unter anderem auf ihr Allergiepotenzial und ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden. Geklagt hatten französische Verbände. Sie befürchteten, dass gezielte Änderungen im Erbgut Gesundheitsrisiken mit sich bringen könnten.
Wie unterscheidet sich die bisherige Gentechnik von Crispr und Co.? Bislang setzen viele Forscher auf relativ ungenaue Methoden. Sie beschießen etwa Pflanzenzellen mit Partikeln, an denen die gewünschten Abschnitte des Erbmoleküls
DNA haften. Verbreitet ist auch die Übertragung von Genen mithilfe von Bakterien, welche die DNA-Stücke in den Zellkern schleusen. Bei beiden Methoden lässt sich nicht kontrollieren, wo die neue DNA im Erbgut eingebaut wird. Crispr und ähnliche Methoden sind präziser. In der Humanmedizin wurde allerdings vereinzelt beobachtet, dass DNA-Stücke nicht an der gewünschten Stelle landeten. Crispr nutzt die natürlichen Selbstreparaturmechanismen der DNA. Die Erbgutänderungen sind deshalb in der Regel nicht nachweisbar – es sei denn, es wurden Gene einer fremden Pflanzen- oder Tierart übertragen.
Kann man bereits mithilfe von Crispr gezüchtete Pflanzen kaufen?
In Europa ist keine derartige Sorte auf dem Markt – und nach dem EuGH-Urteil dürfte sich daran so schnell nichts ändern. Auch mit bisherigen Gentechnik-Methoden gezüchtete Pflanzen spielen in der EU praktisch keine Rolle. In den USA werden mit Crispr veränderte Soja- und Maispflanzen bereits in Feldversuchen getestet. Im Mittelpunkt stehen dabei die Stärkezusammensetzung und das Fettsäuremuster. Auch an Kartoffeln mit besserer Lagerfähigkeit wird gearbeitet.
Sind konventionell gezüchtete Pflanzen nicht genetisch verändert?
Doch. In der konventionellen Züchtung werden über Generationen hinweg Pflanzen mit erwünschten Eigenschaften – etwa einem hohen Ertrag oder einer geringen Krankheitsanfälligkeit – ausgewählt und weitervermehrt. Dadurch erhöht sich die Häufigkeit von Genen, die für diese Eigenschaften verantwortlich sind, während andere Gene zurückgedrängt werden. Wird eine Zuchtlinie mit einer anderen Linie oder einer Wildform gekreuzt, werden dabei Tausende von Genen auf einmal übertragen. Eine andere Methode ist die Mutationszüchtung, bei der mit Strahlung oder Chemikalien zufällige Erbgutänderungen erzeugt werden – in der Hoffnung, dass darunter auch ein paar vorteilhafte Mutationen sind. Pflanzen aus Mutationszüchtung müssen im Gegensatz zu gentechnisch veränderten Pflanzen nicht deklariert werden.
Welche Ziele hat die grüne Gentechnik?
Gene enthalten die Baupläne für Proteine, also jene komplexen Eiweißmoleküle, die für alle wesentlichen Funktionen lebender Zellen nötig sind. Ein neues Gen versetzt eine Pflanze in die Lage, ein Protein zu produzieren, das sie zuvor nicht bilden konnte. Ein Beispiel sind Maispflanzen, denen ein Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis übertragen wurde. Dadurch können sie ein Protein bilden, das toxisch auf den Maiszünsler wirkt – einen Schädling, der zu starken Ertragsminderungen führen kann. Mit
Gentechnik lassen sich auch vorhandene Gene verändern oder ausschalten, etwa um die Produktion eines Proteins zu stoppen, auf das eine Pflanzenkrankheit wie der Mehltau angewiesen ist. Generell gilt: Je genauer der Eingriff ins Erbgut, desto weniger unerwünschte Effekte sind zu befürchten. Doch Crispr & Co. werden die konventionelle Züchtung nicht ersetzen. Sie könnten aber den jahrelangen Weg zu neuen Sorten spürbar verkürzen.
Ist der Verzehr von Gentechnik-Pflanzen schädlich für die Gesundheit?
Probleme sind denkbar, wenn Menschen oder Tiere allergisch sind gegen die neuen Proteine, die eine genveränderte Pflanze bildet. Ein Beispiel dafür wäre eine Sojapflanze, der ein Erdnussgen übertragen wurde. Die geernteten Bohnen wären für Erdnussallergiker eine ernsthafte Gefahr. Um solche Risiken zu minimieren, unterliegen gentechnisch veränderte Pflanzen strengeren Prüfungen als konventionell gezüchtete Sorten. Die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften kommt auf Grundlage der vorhandenen Fachliteratur zu dem Schluss, dass beim Verzehr von Lebensmitteln aus in der EU zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen „kein erhöhtes Gesundheitsrisiko gegenüber dem Verzehr von Produkten aus konventionellem Anbau besteht“.
Welche ökologischen Risiken können Gentechnik-Pflanzen bergen?
Umweltschützer befürchten, dass gentechnisch veränderte Pflanzen in die Umwelt gelangen könnten und dann nicht mehr rückholbar wären. Allerdings können sich landwirtschaftliche Nutzpflanzen ohne Hilfe des Menschen nur sehr schlecht gegen natürliche Konkurrenten durchsetzen. Durch Pollenflug könnten allerdings neue Erbanlagen auf andere Gewächse übertragen werden – was indes auch bei konventionellen Züchtungen vorkommt. Ein größeres Risiko sind herbizidresistente Unkräuter, die in der gentechnikfreundlichen US-
Landwirtschaft zunehmend zum Problem werden.
Wächst durch Gentechnik die Abhängigkeit von Großkonzernen ?
Bei den bisherigen, aufwendigen und teuren Methoden ist dieser Einwand sicherlich berechtigt. Bei Crispr liegen die Dinge anders, weil die Kosten deutlich niedriger sind. Daher ist die Methode auch für mittelständische Züchter interessant, von denen es in Deutschland noch sehr viele gibt. Allerdings dürften nach dem EuGH-Urteil viele kleine Unternehmen den hohen Aufwand für die Zulassung ihrer Züchtungen als gentechnisch veränderte Organismen scheuen.