Ein Gutachter des Europäischen Gerichtshofs gibt dem Suchmaschinenbetreiber Google Recht: Auch wer sich in seiner Privatsphäre verletzt sieht, darf Links zu legalen Inhalten auf Internetseiten nicht verbieten.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Europäer, die sich durch die Suchmaschine Google in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sehen, sollen nicht pauschal Links auf Webseiten blockieren dürfen, die peinliche Details aus ihrer Vergangenheit offenbaren. Zu dieser Schlussfolgerung ist der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem bereits mehrere Jahre währendenden Rechtsstreit zwischen dem US-Suchmaschinenbetreiber Google und einem Spanier gekommen, der in seinem als Präzedenzfall geltenden Verfahren von der EU-Kommission unterstützt wurde. In der Regel folgen die Luxemburger Richter den Empfehlungen. Das endgültige Urteil wird erst in mehreren Monaten gefällt.

 

Als die spanische Zeitung „La Vanguardia“ im Jahr 1998 die Notiz über die Zwangsversteigerung eines Hauses veröffentlichte, war dies eine unscheinbare Pflichtnotiz, die im Zeitalter der Papierarchive längst auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet wäre. Doch in der Zwischenzeit hat das Blatt sein Archiv digitalisiert. Und so ist der für den damaligen Pleitier peinliche Verweis für jeden, der dessen Namen in die Suchmaske von Google eingibt, nur einen Mausklick entfernt. Wie mehr als hundert andere durch ähnliche Internetverweise betroffene Spanier hatte er sich bei den zuständigen spanischen Datenschützern gegen die Verlinkung beschwert und in Spanien auch recht bekommen – was der US-Suchmaschinenbetreiber nicht akzeptieren wollte. Die bestehende EU-Richtlinie zum Datenschutz enthalte kein generelles Recht auf Vergessen, sagt nun der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes. Er ist damit der Argumentation von Google weitgehend gefolgt. Ein Eingriff sei nur gerechtfertigt, wenn es sich um unrichtige oder verleumderische Informationen handele. Google sei zudem nicht dafür verantwortlich, ob auf allen Seiten, zu denen die Suchmaschine verlinke, die Datenschutzrichtlinien eingehalten würden.

Der Bundesgerichtshof urteilte jüngst restriktiver

Der Generalanwalt setzte damit einen etwas anderen Akzent als jüngst der Bundesgerichtshof, der im Mai Google dazu verpflichtet hat, automatisch generierte Suchbegriffe aus seiner Suchmaske zu streichen, wenn sie eine Person zu Unrecht in ein fragwürdiges Licht rücken. Hier hatte ein Deutscher geklagt, dessen Namen mit den Begriffen „Scientology“ und „Betrug“ in Verbindung gebracht wurde. Die Entscheidung bezog sich aber nur auf Suchtipps und nicht auf Verlinkungen.

Schon während der mündlichen Verhandlung im Februar hatten einige der Luxemburger Richter durchschimmern lassen, dass sie ein Recht auf Vergessen, das sich auch auf legale Inhalte bezieht, skeptisch sehen. Ein Richter verwies damals auf die internationale Dimension des Falles. Die Server, auf denen Google den Link gespeichert hat, liegen außerhalb der EU. Könne dann nicht etwa auch die chinesische Regierung bei Google die Streichung von Internetverweisen erzwingen?

Google hatte damit argumentiert, dass sich der Kläger direkt an die Zeitung hätte wenden müssen, wenn er den Verweis auf die Zwangsversteigerung aus deren Archiv tilgen wolle. Man habe mit der legal zustande gekommenen Information nichts zu tun gehabt und agiere nur als Vermittler. „Suchmaschinen sollen nicht zur Zensur legitimer Inhalten gezwungen werden – weder der Privatsphäre wegen noch aus jeglichen anderen Gründen“, schrieb das US-Unternehmen in einer öffentlichen Erklärung. Das weitere Argument, dass Spanien schon formal nicht zuständig sei, weil Google dort keine Datenbanken unterhalte, ließ der Gutachter des Europäischen Gerichtshofes allerdings nicht gelten. Viviane Reding, die EU-Justizkommissarin, die in einer künftigen EU-Datenrichtlinie ein weit gefasstes Recht auf Vergessen ausdrücklich festklopfen will, argumentierte hingegen mit der hohen Verantwortung des Quasimonopolisten. „Suchmaschinen führen dazu, dass Daten für immer vorhanden sind“, sagte die von Reding entsandte Anwältin vor Gericht.