Die Kosten für den Anruf bei einer 0180-Service-Hotline dürfen den üblichen Festnetz- oder Mobilfunk-Tarif nicht übersteigen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof bringt Vorteile für viele Verbraucher

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Luxemburg - Unternehmen dürfen Kunden nicht durch Service-Rufnummern abschrecken, die mehr Geld kosten als ein gewöhnlicher Anruf bei einer Fest- oder Mobilfunknummer. Das ist der Kern eines aktuellen Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (C-568/15). Demnach dürfen Verbraucher in der EU generell nicht durch teurere 0185-Kunden-Hotlines davon abgehalten werden, telefonische Informationen zu einem Vertrag zu erhalten oder Gewährleistungs- und Widerrufsrechte einzufordern.

 

Die wegweisende Klarstellung des höchsten europäischen Gerichts hat die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg erstritten. Die größte Kontrollinstitution der deutschen Wirtschaft für fairen Wettbewerb führt aktuell zwei Musterverfahren zur Verwendung kostenpflichtiger Rufnummern. „Bereits seit 13. Juni 2014 gilt hier eine neue Rechtslage in der EU, die zu beachten ist“, sagte die zuständige Juristin der Wettbewerbszentrale, Ulrike Gillner, unserer Redaktion.

Demnach regelt die EU-Verbraucherrechte-Richtlinie in Artikel 21 seither, dass Kunden von Unternehmen bei telefonischen Rücksprachen zu Verträgen nicht mehr zahlen müssen als den „Grundtarif“. Bisher wird diese Regelung aber vielfach missachtet. Das zeigte auch eine Überprüfung von Internetseiten im Rahmen der regelmäßigen EU-Marktüberwachungsaktion Sweep.

In einem der Musterverfahren klagte die Wettbewerbszentrale darauf gegen den Elektronikhändler Comtech aus Aspach (Rems-Murr-Kreis). Das Unternehmen bot viele Jahre wie vielfach üblich eine 01805-Rufnummer für Kundenanfragen an. Deren Kosten sind mit 14 Cent/Minute aus dem Festnetz und 42 Cent/Minute mobil weit höher als bei einem gewöhnlichen Anruf auf einer Festnetznummer, die viele Verbraucher heute dank Pauschaltarifen (Flat) mit Telefonanbietern oft nichts mehr zusätzlich kosten.

In dem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart (Az. 1 O 21/15) klagt die Wettbewerbszentrale auf Unterlassung und sieht in der 01805-Nummer einen Verstoß gegen Paragraf 312a, Absatz 5, Satz 1 BGB, mit dem die EU-Richtlinie umgesetzt wurde. Comtech dagegen argumentierte, Sonderrufnummern seien zulässig, sofern das Unternehmen nichts daran verdiene und der beauftragte Telefonanbieter keine Entgelte weiterleite. Das Landgericht bat darauf um Klarstellung in Luxemburg.

Comtech kündigt in den nächsten Tagen eine anwaltliche Stellungnahme an

Die Rechtsauffassung von Comtech teilt der EuGH nicht. Es sei „unerheblich“, ob das Unternehmen mit der Service-Rufnummer Gewinne erziele. Entscheidend sei der Begriff des Grundtarifs, der in der EU-Richtlinie nicht näher definiert wird. Für das Luxemburger Gericht aber steht fest, dass damit die Kosten eines gewöhnlichen Anrufs gemeint sind, die bei einer Service-Rufnummer für geschlossene Verträge nicht überschritten werden dürfen.

Die Comtech GmbH kündigte auf Anfrage eine anwaltliche Stellungnahme in den nächsten Tagen an. Nach Informationen unserer Redaktion wurden nach dem Jahreswechsel die teureren Sonder-Rufnummern entfernt, als sich eine Niederlage beim EuGH abzeichnete. Aktuell sind auf der Homepage des Händlers als Kundenkontakt nur noch Festnetz-Rufnummern mit der Vorwahl von Backnang angegeben, die viele Verbraucher je nach ihrem Telefontarif kostenlos oder sehr günstig erreichen können.

Zweites Musterverfahren liegt beim OLG Hamburg

Comtech ist einer der großen deutschen Online-Händler, wird von den Geschäftsführern Joachim Ehmann, Ralf Kern und Stefan Christinger geleitet und gehört seit 2015 zur norwegischen Komplett Group. Am Firmensitz Aspach werden rund 80 Mitarbeiter beschäftigt, dort gibt es auch ein Ladengeschäft. Vom Deutschen Institut für Service-Qualität wurde das Unternehmen 2016 nach einer Verbraucherbefragung erneut als einer der besten deutschen Online-Shops ausgezeichnet.

In einem zweiten Musterverfahren geht die Wettbewerbszentrale beim OLG Hamburg gegen die Verwendung einer kostenpflichtigen Rufnummer in einer Widerrufsbelehrung vor (Az. 10 U 24/15). Hier hatte das Landgericht entschieden, es liege kein Wettbewerbsverstoß vor, wenn kein Entgelt aus den 0180-Nummern vom Telefonanbieter an das beklagte Unternehmen abgeführt werde. Dagegen hat die Wettbewerbszentrale Berufung eingelegt.

Die Gerichte in Stuttgart und Hamburg müssen nun nach den Vorgaben aus Luxemburg entscheiden, ob die Unternehmen verpflichtet werden, die Verwendung der teureren Rufnummern bei Vertragsrückfragen und in Widerrufsbelehrungen zu unterlassen. Nach der Klarstellung des EuGH gibt es kaum noch Zweifel, dass die Wettbewerbszentrale beide Musterverfahren gewinnt.