Die Luxemburger Richter geben jenen Kritikern der ersten Stunde Recht, die die „Ausländermaut“ der CSU von Beginn an für europarechtswidrig hielten. Trotzdem kommt die Entscheidung am Schluss ein wenig überraschend, kommentiert der Leiter unseres Hauptstadtbüros Christopher Ziedler.

Berlin - Welch eine Verschwendung von Zeit, politischem Kapital und nicht zuletzt Geld! Über viele Jahre wurden alle nun höchstrichterlich bestätigten Warnungen in den Wind geschlagen, dass die deutsche „Infrastrukturabgabe“ dem Europarecht zuwiderläuft und Bürger aus anderen EU-Staaten diskriminiert. Die Kanzlerin wollte sie nicht, die SPD auch nicht, doch bekam die CSU während der Koalitionsverhandlungen 2013 im Gegenzug für den Mindestlohn ihre „Ausländermaut“. Als die EU-Kommission aufmuckte, wurde lange verhandelt, die im Bundestag beschlossenen Nachbesserungen sahen etwas billigere Vignetten für kürzere Zeiträume vor – und Brüssel gab grünes Licht.

 

Österreich hat gegen deutsche Maut geklagt

Keine grundsätzlichen Einwände erhob auch der EU-Generalanwalt, dem die Richter häufig folgen, nach dem eine Klage des Nachbarlands Österreichs eingegangen war. Insofern durften sich die Maut-Befürworter im CSU-geführten Bundesverkehrsministerium durchaus Hoffnung machen, dass ihr reines Symbolprojekt mit geringen prognostizierten Einnahmen für Ausbau und Erhalt der Infrastruktur tatsächlich das Licht der Welt erblicken würde. Das Nein aus Luxemburg, das seine Ursache in der extrem ungleichen finanziellen Belastung von deutschen und nicht-deutschen Autofahrern hat, kommt insofern doch etwas überraschend und umso mehr einer schallenden Ohrfeige gleich – für den CSU-Minister Andreas Scheuer, seinen Parteifreund und Vorgänger Alexander Dobrindt, aber auch für die gesamte Bundesregierung, die sich wider besseres Wissen für die Maut engagiert hat.

Jetzt ist ein schlüssiges Gesamtkonzept gefragt

Wie kann es nun weitergehen? Den Berliner Akteuren kann nur davon abgeraten werden, über geringfügige Änderungen des vorgeschlagenen Systems und einen neuen Anlauf nachzudenken. Es muss grundlegend neu gedacht werden bei der Pkw-Maut, die nicht zuletzt im Klimaschutzdiskurs ein Faktor sein kann. Selbst in einem CDU-Papier zur Zukunft der Mobilität ist von einer „stärker nutzungs- und emissionsbezogenen Bepreisung des motorisierten Individualverkehrs“ die Rede. Das könnte eine CO2-Steuer sein, das könnte eine streckenabhängige Pkw-Maut sein – in beiden Fällen aber gilt, dass sie Teil eines schlüssigen Gesamtkonzeptes sein müssen, das keine einseitigen Zusatzbelastungen bringt. Eine Maut selbst müsste in ein europäisch abgestimmtes System zur Straßenfinanzierung eingebettet sein. Beides, vor allem eine europäische Lösung wird Zeit brauchen, Zeit, die leider dadurch vertrödelt wurde, dass die deutsche Politik jahrelang in die falsche Richtung gelaufen ist.