Um Fahrverbote in den Innenstädten zu vermeiden, fordern viele Politiker die Nachrüstung mit Hardwaresätzen. Mehr als fünf Millionen Pkw kommen dafür bundesweit infrage. Es gibt zunehmend Zweifel, dass die Industrie die Technik in den Griff bekommt.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Die Hoffnungen von Besitzern von Euro-4- und Euro-5-Diesel-Fahrzeugen trüben sich ein, mit Hilfe eines Nachrüstsatzes Fahrverbote in den Innenstädten vermeiden zu können. Das Unternehmen HJS aus dem sauerländischen Menden, das in der Vergangenheit zuverlässig Lösungen bei der Nachrüstung von Abgassystemen angeboten hat und als Marktführer gilt, hat nach umfangreichen Prüfungen entschieden, keine Nachrüstsätze für Euro-5-Pkw anzubieten. Bislang ist auch von den anderen Firmen, die an Nachrüstkits arbeiten, kein Antrag auf Erteilung einer Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) beim Kraftfahrtbundesamt in Sicht. Ein Sprecher von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) teilte mit: „Es gibt noch keinen Antrag, der die Anforderungen erfüllt.“ Sollte ein derartiger Antrag eingehen, werde aber schnellstmöglich geprüft und gegebenenfalls bewilligt: „Dafür benötigt das KBA rund zwei Wochen.“

 

Mehr als fünf Millionen Euro-5-Diesel im Verkehr

Nach Informationen des Branchenverbandes VDA waren Anfang 2019 5,34 Millionen Euro-5-Diesel-Pkw in Deutschland zugelassen.

HJS-Chef Christoph Menne sagte im Gespräch mit unserer Zeitung: „Wir werden keine Lösungen für Pkw anbieten.“ Zur Begründung führt Menne aus: „Damit sich der Entwicklungsaufwand lohnt, muss es auch einen Markt für die Nachrüstsätze geben. Da haben wir im Bereich von Pkws erhebliche Fragezeichen und haben von daher Abstand davon genommen, uns hier weiter zu engagieren.“ Die technischen Anforderungen, die der Gesetzgeber verlangt, seien hart. Zudem gebe es bei Pkws wenig Platz für Nachrüstsätze. Auch die große Palette von Euro-5-Pkw, die jeweils individuelle Lösungen verlange, habe dazu beigetragen, den Pkw-Markt außen vor zu lassen.

Mindestens 3000 Euro Kosten

Henning Middelmann von Twintec-Baumot aus Witten (ebenfalls Sauerland) bestätigt, dass seine Ingenieure noch keinen Durchbruch errungen haben. „Wir arbeiten dran und gehen davon aus, dass wir im Mai oder Juni unseren Antrag auf Erteilung einer ABE beim Kraftfahrtbundesamt einreichen werden“, so Middelmann im Gespräch mit unserer Zeitung. Es gehe derzeit darum, das Lieferantenmanagement in den Griff zu bekommen. Die Kosten des Nachrüstsatzes würden sich, so seine Prognose, im Rahmen von rund 3000 Euro bewegen.

Sowohl Daimler als auch VW hatten sich bereit erklärt, Pkw-Besitzern, die von Fahrverboten betroffen sind, bei der Nachrüstung einen Zuschuss von bis zu 3000 Euro zu gewähren. VW und Daimler haben mögliche Entwickler von Nachrüst-Kits an einen Tisch geholt und ihnen Zugang zu allen relevanten technischen Daten geliefert. VW und Daimler selbst lehnen aber die Entwicklung von Nachrüstkits ab. Aus ihren Vorbehalten gegenüber Nachrüstsätzen machen beide Hersteller keinen Hehl. VW teilte kürzlich nach einem Gespräch mit Hardware-Nachrüstern mit: Es gebe eine „skeptische Haltung seitens Volkswagen“ wegen der „Notwendigkeit einer dauerhaften Funktionssicherheit und der Produktbeobachtungspflicht“. Ein Daimler-Sprecher sagte gegenüber unserer Zeitung: „Die Entwicklung von Nachrüstungen ist hochkomplex. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es noch keine Angebote gibt.“

An den Gesprächen bei VW haben sich als mögliche Hersteller von Nachrüstsätzen neben HJS und Twintec-Baumot auch Dr. Pley aus Bamberg und Oberland Mangold aus der Nähe von Garmisch Partenkirchen beteiligt.

Nutzfahrzeugebereich ist ein interessanterer Markt

Interessanter als der Markt für Pkw-Nachrüstungen ist zumindest für Marktführer HJS der Nutzfahrzeugbereich. Es gibt knapp eine Million Euro-5-Lieferwagen-Diesel. Darunter sind viele Handwerkerfahrzeuge, die mit aufwendigen Ein- und Ausbauten ausgestattet sind. Vielfach ist der Wert der Spezialausbauten höher als der Zeitwert des Fahrzeugs. Diese Nische hat HJS-Chef Menne für Nachrüstlösungen im Blick: „Wir bereiten uns hier darauf vor, dass HJS noch in diesem Jahr mit einem Angebot auf den Markt kommt.“ HJS hat ein renommiertes externes Ingenieurbüro beauftragt, eine Machbarkeitsstudie für drei Modelle zu machen. Es geht um den T5 von VW, den Sprinter von Daimler sowie den Daily von Iveco. Die Machbarkeitsstudie kommt nach Informationen unserer Zeitung zu dem Ergebnis, dass die Kosten für den Umbau bei etwa 5000 Euro liegen. Anders als bei den Pkw hat die Bundesregierung eine Beteiligung bei der Umrüstung von Nutzfahrzeugen angeboten: Dafür stehen insgesamt rund 333 Millionen Euro zur Verfügung. Die Förderung beträgt höchstens 3800 Euro bei Fahrzeugen bis 3,5 Tonnen und höchstens 5000 Euro bei Fahrzeugen ab 3,5 Tonnen. Anträge können betroffene Fahrzeughalter bereits jetzt bei der Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen stellen.