Das Debakel um die Euro-Hawk-Drohne kostet viel Geld. Von Montag an müssen drei Verteidigungsminister, ein Dutzend Experten und zwei Generalinspekteure klären, wann und warum das Projekt entgleist ist.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - In sechs Sitzungstagen soll der Verteidigungs-Untersuchungsausschuss aufklären, was bei der Beschaffung der Aufklärungsdrohne Euro Hawk schiefgelaufen ist. Die Abgeordneten sollen „den Umgang der Bundesregierung mit dem Projekt unter vertraglichen, rechtlichen, haushälterischen, militärischen, technologischen und politischen Gesichtspunkten“ überprüfen. Das ist eine Mammutaufgabe, die bis ins Jahr 2000 zurückreicht. Unter Rot-Grün nahm die Beschaffung der Drohne ihren Anfang. Der amtierende Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) steht wegen des späten Stopps der Beschaffung in der Kritik. Er ist zwar nach wie vor davon überzeugt, dass er bei dem Projekt die Reißleine ziehen und es stoppen musste – und dass er dies zum richtigen Zeitpunkt getan hat. Aber das hat die Opposition bisher nicht überzeugt.

 

De Maizière hat die Beschaffung des Euro Hawk von seinen Vorgängern geerbt. Aber mit einer Aussage hat er sich in eine brenzlige Lage manövriert. Als sein Haus am 13. Mai 2013 die Beschaffung des Euro Hawk stoppte, erweckte der Minister den Eindruck, sich kaum je mit dem Vorhaben – bisherige Kosten: deutlich mehr als eine halbe Milliarde Euro – beschäftigt zu haben. Nach einer eher allgemeinen Einführung in die Drohnenprobleme im März 2012 sei er erst mit dem Ausstiegsbeschluss wieder damit befasst worden, erklärte er. Damit wollte der Minister den Vorwurf der Opposition kontern, dass er den Einkauf zu spät gestoppt habe. In den Augen von SPD, Grünen und Linken sind deshalb viele Millionen Euro nutzlos verbrannt worden.

Die Unwahrheit gegenüber dem Parlament?

Inzwischen musste der Minister aber einräumen, anlässlich eines Firmenbesuchs bei der EADS-Tochter Cassidian schon im Dezember 2012 über die Problemlage informiert worden zu sein. In einem Dokument vom 6. März zur Vorbereitung auf ein Gespräch mit Abgeordneten der Regierungsfraktionen, das der „Süddeutschen Zeitung“ vorliegt, heißt es, die Zulassung der Drohne gestalte sich „als extrem schwierig und risikobehaftet“. Der Minister hat es am 12. März abgezeichnet. Das nährt den Verdacht, dass de Maizière gegenüber dem Parlament die Unwahrheit gesagt hat. Am Montag beginnen die Abgeordneten, die Frühzeit des Euro Hawk auszuleuchten. Vorgeladen sind der frühere Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und die beiden Ex-Minister Rudolf Scharping (SPD) und Franz Josef Jung (CDU). Unter Scharping wurde die Entscheidung getroffen, die Entwicklung der Drohne in Auftrag zu geben. In Jungs Amtszeit fielen die ersten Vertragsabschlüsse. Erst Ende Juli werden die aktuellen Amtsträger – Staatssekretär Stéphane Beemelmans und de Maizière – befragt.

Auf die erste Woche setzt die Koalition: Sie hofft schon in den Anfangsjahren Verfahrens- oder Vertragsfehler aufzudecken. Die Opposition will de Maizière und Beemelmans in der zweiten Woche in Bedrängnis bringen. Bei vielen Beobachtern aber ist die Skepsis groß, dass der Ausschuss überhaupt zur Aufklärung beitragen kann. Erstens ist die Materie für die kurze Untersuchungszeit komplex. Zweitens ist im Wahlkampf die Versuchung besonders groß, den Untersuchungsausschuss als Kampfinstrument zu nutzen. In den 1990er Jahren wurde klar, dass die zur Luftüberwachung eingesetzten Flugzeuge vom Typ Breguet Atlantic mittelfristig das Ende ihrer Einsatzfähigkeit erreichen würden. Daraufhin wurden Nachfolgermodelle mit bemannten oder unbemannten Flugzeugen erwogen. Man entschied sich, einen Entwicklungsvertrag für die Drohne mit den Amerikanern – dem Hersteller Northrop Grumman – abzuschließen. Schon damals war klar, dass die Amerikaner ihre Aufklärungssensorik nicht verkaufen. So bekam EADS den Auftrag, die Spähausstattung des Euro Hawk zu entwickeln.

Große Vorzüge hat die Drohne ohne Frage

Die Vorzüge der Drohne gegenüber herkömmlichen Flugzeugen sind enorm: Der Euro Hawk fliegt in 20 – statt in zwölf – Kilometer Höhe, bleibt eher unbemerkt und ist unerreichbar für Flugabwehrraketen. Weil die Drohne keine Besatzung hat, die Ruhezeiten braucht, kann sie bis zu 30 Stunden in der Luft bleiben. Die Aufklärungssensorik Isis kann in dem Überfluggebiet der Drohne alle Datenströme aufsaugen. Gemessen an der bisherigen Qualität der Luftaufklärung wäre das ein Quantensprung. Wenn der Euro Hawk fliegt – die Bundeswehr hat ein Demonstrationsflugzeug gekauft –, muss der Luftraum gesperrt sein, weil er keine Zulassung für den europäischen Luftraum hat. Seit einigen Jahren verdichten sich die Hinweise, dass Euro Hawk diese Zulassung nicht erhält – es sei denn, es werden noch einmal 600 Millionen Euro in eine Kollisionsschutztechnik investiert. Das Verteidigungsministerium hat sich am 13. Mai endgültig dagegen entschieden, diese Zusatzinvestitionen zu tätigen und die Beschaffung zu stoppen.

Zu einem früheren Zeitpunkt wäre diese Entscheidung in den Augen de Maizières nicht sinnvoll gewesen, weil die Testreihe für die Isis-Sensorik nicht abgeschlossen war. Dabei handelt es sich laut de Maizière um Aufklärungstechnologie „vom Feinsten“. Deshalb ist das Ministerium jetzt auf der Suche nach einem bemannten Ersatz für die Drohne. Allerdings gibt es nicht nur in der Opposition, sondern auch in Rüstungskreisen Zweifel, ob die Aufklärungssensorik Isis, die ihre Leistungsstärke in 20 000 Meter Flughöhe voll ausreizen kann, in einem bemannten Flugzeug auf 12 000 Metern sinnvoll nutzbar ist.