Das perfekte Fahrrad für Pendler: Auf der Fahrradmesse Eurobike in Friedrichshafen fährt der mobile Stadtmensch in diesem Jahr Faltrad.

Friedrichshafen - Es gehört zu den Besonderheiten der Fahrradmesse Eurobike in Friedrichshafen, dass ein Großteil der rund 40000 Besucher - natürlich - mit den Auto anreist. Die Parkplätze sind voll, die Straßen und Kreuzungen dicht. Das tue ich mir nicht noch mal an, muss sich auch Fahrradhändler Paul Kappler aus Heidelberg gedacht haben.

 

Er setzte sich auf seinen Drahtesel, radelte zum Heidelberger Bahnhof, klappte das faltbare Vehikel auf kleine Koffergröße zusammen, die gut in die ICE-Gepäckablage passt, und im Regionalzug von Ulm nach Friedrichshafen stellte er das Vehikel neben seine Sitzbank. Angekommen in der Bodenseestadt ging es nach zwei, drei Handgriffen zügig zum fünf Kilometer entfernten Messegelände.

Am Faltrad scheiden sich die Geister. Für die einen sieht es ziemlich uncool aus, als säße ein Erwachsener auf einem Kinderrad. Für die Fangemeinde ist es ultimative Technik, Hightech mit Gefühl für das Detail. Deshalb demonstriert Kappler besonders gern, wie aus dem 60 mal 60 mal 30 Zentimeter großen Päckchen ein Fahruntersatz entsteht: Er klappt den Lenker heraus und gerade, richtet den Rahmen aus, löst die Arretierung für das 16-Zoll-Hinterrad und schnappt mit leichtem Schwung das Hinterteil in Position. Da steht das Rad - alles in knapp zehn Sekunden.

Wichtig ist die "Entfaltung"

Nun darf auch der Autor dieser Zeilen Probe fahren - und wundert sich: Die Angelegenheit ist anfangs wacklig, das Rad ist extrem wendig, kleinste Lenkbewegungen werden jedoch mit großer Richtungsänderung bestraft. Freihändig zu fahren wäre absolut gefährlich, Abbiegen mit Handzeichen und nur einer Hand am Lenker ist zunächst eine Herausforderung. Doch die höheren Anforderungen an Balance und Körperbeherrschung erlernen sich schnell.

Mit dem 16-Zoll-Faltrad kann man auch im Stadtverkehr locker mit einem 28-Zoll-Trekkingrad mithalten. Kappelers Rad der Marke Brompton hat zwar nur eine Dreigang-Nabenschaltung, "wichtig ist jedoch die sogenannte Entfaltung", sagt der Heidelberger. Damit meint er, wie viel Wegstrecke das Rad mit einer Pedalumdrehung zurücklegt. Das Faltrad hat ein vorderes Kettenblatt mit 50 oder 53 Zähnen, bei Standardrädern mit Kettenschaltung sind es typischerweise 44 Zähne beim großen Kettenblatt.

"Ein Faltrad ist natürlich ein Kompromiss", erklärt Kappler. Größere Bereifung und damit komfortableres Fahren führt zu größeren Packmaßen und höherem Gewicht. Die 16-Zoll seien aber die untere Grenze. "Alles darunter ist Spielzeug." Ein Faltrad muss man überall mitnehmen können. Paradebeispiel ist der Pendler, der mit Bahn oder Bus fährt, die ersten und letzten Kilometer aber locker mit dem Rad zurücklegt. "Ich kenne sogar einen Sportflieger, der hat das Faltrad hinter seinem Sitz", sagt Kappler und schmunzelt.

Die Zukunft: das Elektrofaltrad

Die etablierten Faltradhersteller haben denn auch nur Räder ab 16 Zoll im Programm. Etwa David Hon, der führende Produzent, mit seiner Marke Dahon. Der Kalifornier chinesischer Abstammung ist eigentlich Laserphysiker, wandte sich in jungen Jahren von der, wie er sagt, militärisch verwertbaren Forschung ab und wollte etwas für die Menschen Gutes und Praktisches tun. Als passionierter Radler entwickelte er die ersten Falträder, die sich komplett zusammenfalten lassen. Als Klapprad bezeichnen Fachleute hingegen jene Räder aus den Siebzigern, die sich am Mittelholm zerlegen oder klappen lassen. Seit 30 Jahren ist Hon Trendsetter. Rund 500.000 Falträder produziert seine Firma im Jahr.

Hon hat zwei Kunden im Visier: Den Stadtmenschen und den Studenten. Mit dem Faltrad lässt sich wunderbar im urbanen Bereich navigieren, sagt der Erfinder und Entwickler. Die Messeneuheit namens Jifo (16 Zoll) besticht durch filigranes Design, zartgrüne Lackierung und einem Gewicht von 9,5 Kilo. Die Programmpalette von gut zwei Dutzend Rädern reicht bis zum 26-Zoll-Mountainbike Tarazed. Dies ist zwar kein richtiges Faltrad, der Lenker lässt sich aber mit einem Griff umklappen, die Pedale zusammenschieben. Hochkant mit Hinterrad und zwei Röllchen am Gepäckträgerende aufgestellt, passt das Rad in jede Nische der Studentenbude oder auch in den dicht gedrängten Aufzug.

Gegenüber dem breiten Angebot von Dahon nimmt sich Konkurrent Brompton wie ein Purist aus. Ja, mit Recht könnte man Brompton als iPhone unter den Falträdern bezeichnen: Es gibt nur ein Modell, 16 Zoll. Alle Klapp-und Fahrfunktionen sind auf praktisches Fortkommen mit liebevollen Details optimiert. Es gibt verschiedene Farben, verschiedene Anmutungen, von vintage bis sportiv. Das Unternehmen sitzt bei London. In einem benachbarten Dorf namens Brompton hat Chefentwickler und Ideengeber Andrew Ritchie das Unternehmen aus der Taufe gehoben. 30.000 Räder fertigt seine Firma. Ritchie ist noch der größte Teilhaber, aus dem operativen Geschäft hat er sich zurückgezogen. Die Nachfrage ist riesig, doch "sie bindet all unsere Energie", sagt Ritchie. Auch die Falträder könnten in Zukunft einen elektrischen Hilfsantrieb haben. In zwei Jahren könnte sich Ritchie zumindest ein Elektro-Faltrad in seinem Programm vorstellen - "wir haben das in der Entwicklung", sagt er.