Gerade einmal drei Wochen im Amt, muss sich die EU-Kommission um Jean-Claude Juncker einem Misstrauensvotum stellen. Wirklich zittern muss Juncker jedoch nicht.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Gerade einmal drei Wochen im Amt muss sich die EU-Kommission um Jean-Claude Juncker wegen der sogenannten Lux-Leaks-Affäre einem Misstrauensvotum stellen. So früh kam dieses Verfahren noch nie zuvor zur Anwendung. Wirklich zittern muss Juncker vor der Abstimmung am Donnerstag aber wohl nicht. Das zeigte die Debatte über den Misstrauensantrag am Montagabend im Europaparlament.

 

Die Nachrichtenagentur dpa hat einige Punkte, die für den 59 Jahre alten Juncker sprechen, im Überblick zusammengestellt:

Das Initiatoren-Argument

Hinter dem Misstrauensantrag stehen rechtspopulistische Abgeordnete wie Nigel Farage von der britischen Anti-EU-Partei Ukip und Marine Le Pen von der französischen Front National. Mit Politikern wie diesen wollen pro-europäische Abgeordnete keine gemeinsame Sache machen – auch wenn der ein oder andere Linke eine schnelle Ablösung des Christdemokraten Junckers durchaus gutheißen würde.

Das Niederlage-Argument

Juncker war Spitzenkandidat der europäischen Volkspartei (EVP) bei der Europawahl und gilt als der erste EU-Kommissionschef, der zumindest indirekt von den Wählern ins Amt gebracht wurde. Sollte er nun zurücktreten müssen, könnten die Staats- und Regierungschefs hinter verschlossenen Türen einen neuen Kandidaten bestimmen – wie in der Vergangenheit.

Das Lähmungs-Argument

Der Aufbau einer neuen EU-Kommission könnte Wochen, wenn nicht Monate in Anspruch nehmen und die Arbeit an wichtigen Gemeinschaftsprojekten lähmen. Dazu gehört beispielsweise das geplante, 300 Milliarden Euro schwere Investitionspaket zur Konjunkturbelebung. „Wollen Sie, dass wir im Abgrund versinken?“, rief der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Gianni Pittella, den Antragstellern am Montag zu. „Wir wollen das nicht.“

Das Kaum-Alternativen-Argument

Wer könnte Juncker im Fall eines Rücktritts nachfolgen? Auf diese Frage antworten Diplomaten in Brüssel nur mit einem Schulterzucken. Im EU-Postenpoker muss stets ein Gleichgewicht zwischen Parteienlagern und Nationalinteressen gefunden werden. Kaum wahrscheinlich wäre es, dass der bei der Europawahl knapp unterlegene Martin Schulz den Posten bekommen würde. Der Deutsche ist zudem bereits zum Präsidenten des Europaparlaments gewählt worden.

Das Keine-Beweise-Argument

Bislang gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Juncker in seiner Zeit als luxemburgischer Ministerpräsident (1995 bis 2013) wissentlich und mutwillig gegen EU-Regeln verstieß. Die Steuererleichterungen für Großkonzerne wie Ikea, Amazon, Pepsi, Apple oder Eon könnten anrüchig, aber legal gewesen sein. Juncker sagte am Montagabend im Parlament, er habe die diskutierten Systeme nicht geschaffen und sie nicht zu verantworten.

Das Luxemburg-ist-überall-Argument

Das Großherzogtum zwischen Frankreich, Belgien und Deutschland ist bei weitem nicht das einzige EU-Land, das unter dem Verdacht unfairer Steuerpraktiken steht. Staaten wie die Niederlande oder Irland sind ebenso ins Visier von Wettbewerbshütern geraten. Ihre Abgeordneten müssen befürchten, sich mit einem allzu harten Kurs gegen Luxemburg ein Eigentor zu schießen.

Das Geschichts-Argument

Bislang wurde noch kein einziger Misstrauensantrag gegen eine EU-Kommission angenommen. Der bis heute letzte Vorstoß erhielt 2005 nur 35 Stimmen bei 589 Gegenstimmen und 35 Enthaltungen. Urheber war auch damals Nigel Farage. Jetzt haben 76 Abgeordnete den Antrag unterschrieben - von insgesamt 751. Um die Kommission abzuberufen, bedarf es am Donnerstag einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und einer Mehrheit der Mitglieder des Parlaments - das heißt mindestens 376 Stimmen.