EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnt davor, in der Flüchtlingspolitik rechtsnationalistischen Kräften nachzugeben.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart/Straßburg - Angesichts der zugespitzten Asyldebatte spricht sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gegen Abschottung und für einen menschlichen Umgang mit den Flüchtlingen aus. „Europa muss der Kontinent bleiben, der denjenigen Schutz gewährt, die vor politischer Verfolgung, Gewalt oder Erniedrigung fliehen“, sagte Juncker unserer Zeitung. Er warnte eindringlich davor, rechtsnationalen Kräften zu viel Raum zu geben. „Wenn Politiker den Populisten nachlaufen, dann wird es am Ende so sein, dass die Menschen die Populisten wählen – und nicht die klassischen Parteien. Diese Gefahr sehen einige nicht.“

 

Juncker wird am Dienstag zu einem Treffen der deutschen und der französischen Regierung in Meseberg bei Berlin kommen. Das Ministertreffen unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron dient unter anderem der Vorbereitung des EU-Gipfels Ende des Monats, auf dem es entscheidende Fortschritte in der europäischen Asylpolitik und bei der Reform von EU und Eurozone geben soll.

Lob für deutsch-französische Annäherung

„Ich bin sehr dankbar dafür, dass sich Deutschland und Frankreich jetzt in die selbe Richtung bewegen“, sagte Juncker. In einer Rede im September 2017 hatte Juncker eine Reihe von Reformvorschlägen gemacht, die inzwischen auch bei Merkel und Macron auftauchen – unter anderem die Forderung nach einem europäischen Finanzminister, einer Umwandlung des europäischen Rettungsschirms ESM in einen Währungsfonds sowie die Verkleinerung der Brüsseler Kommission. Es werde am Ende so sein, dass sich das Ergebnis der deutsch-französischen Einigung „um die Vorschläge der Kommission herumgruppiert“.

Gleichzeitig warnte der Kommissionspräsident vor der Illusion, dass eine Verständigung von Merkel und Macron eine ausreichende Basis für die EU-Reform biete: „Es gibt die Notwendigkeit einer deutsch-französischen Annäherung. Es gibt aber auch die anderen 26 Mitgliedstaaten. Europäische Reformen brauchen eine wesentlich breitere Basis als nur diese beiden Länder.“

Das ist nicht Hai gegen Goldfisch

Juncker forderte insbesondere Fortschritte in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik: „Wir sind nicht weltpolitikfähig, weil wir uns immer wieder in unsere nationalen Winkel zurückziehen.“ Die Europäische Union werde „hier nur Fortschritte machen, wenn wir in bestimmten Fragen der Außenpolitik vom Einstimmigkeitsprinzip zur qualifizierten Mehrheit wechseln. Der Lissabonner Vertrag lässt dies im Übrigen schon heute zu.“

Im Handelsstreit mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump plädiert Juncker für ein selbstbewusstes Auftreten der Europäer. „Das ist nicht Hai gegen Goldfisch. Wenn schon, dann ist es Hai gegen Hai“, erklärte Juncker. Die Europäische Union repräsentiere immerhin ein Drittel des Welthandels – und Trump stehe in dieser Sache ohne Verbündete da. „Die USA zeigen uns die kalte Schulter. Aber auf dem G-7-Gipfel ist deutlich geworden: ‚America first‘ ist zu ‚America alone‘ geworden.“