Die EZB hat den Leitzins auf 1,25 Prozent angehoben. Banken, die auf die EZB angewiesen sind, erhalten weiterhin unbegrenzt Geld.  

Stuttgart - Beobachter der Europäischen Zentralbank (EZB) rätseln nach der jüngsten Zinserhöhung, wann die Notenbank die Zügel noch weiter anziehen wird. Die EZB hatte am Donnerstag den Leitzins wie erwartet auf 1,25 Prozent angehoben, nachdem er zuvor fast zwei Jahre den historisch niedrigen Wert von einem Prozent betragen hatte. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass der Leitzins bis zum Jahresende bei 1,75 Prozent liegen dürfte.

 

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet sagte in Frankfurt, dass der Rat am Donnerstag nicht entschieden habe, ob der aktuellen Erhöhung eine Reihe weiterer Zinsschritte folgen soll. Damit scheint zumindest für Mai wahrscheinlich, dass die Zinsen nicht erneut angetastet werden. Einer weiteren Anhebung etwa im Juli stünden die Aussagen Trichets nicht entgegen, meint Holger Schmieding, Volkswirt der Berenberg Bank. Die Commerzbank erwartet den nächsten Zinsschritt erst im September.

Ein höherer Leitzins senkt den Spielraum für Preiserhöhungen

Höhere Zinsen sind ein Mittel im Kampf gegen die Inflation, die in der Eurozone zuletzt bei 2,6 Prozent gelegen hatte und damit über dem Ziel der EZB von knapp zwei Prozent. Steigt der Leitzins, verteuert sich - meist mit einiger Verzögerung - die Finanzierung für Banken und Unternehmen. Dadurch werden Investitionen teurer, Sparen wird attraktiver und die Nachfrage gedrosselt. Das senkt den Spielraum für Preiserhöhungen. Es sei wichtig, dass der jüngste Preisdruck sich mittelfristig nicht fortsetze, sagte Trichet. "Wir werden keine Zweitrundeneffekte dulden", sagt er. Damit ist eine Spirale aus steigenden Preisen und Löhnen gemeint.

Einige Ökonomen wie der Würzburger Volkswirt Peter Bofinger hatten die Zinserhöhung als verfrüht angesehen, da sie die Finanzierung in angeschlagenen Eurostaaten noch zusätzlich erschwere. Doch der Kampf gegen Inflation ist die zentrale Aufgabe der EZB. Zudem sei die Geldpolitik weiterhin so locker, dass sie wirtschaftliche Tätigkeit beflügele und nicht die Konjunktur abwürge, sagte Trichet. "Die Angst, dass ein erster Zinsschritt der EZB zu einer Verschärfung der Krise in den Peripherieländern führt, ist übertrieben", so Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz.

Höhere Zinsen sind ein Signal für ein stabiles Wirtschaftswachstum

Die deutschen Bankenverbände begrüßten die Zinserhöhung einhellig. Der Anstieg der Preise getrieben von Energiekosten habe die Entscheidung der EZB notwendig gemacht. Der Deutsche Aktienindex drehte nach der Entscheidung zeitweilig ins Plus, nachdem er bis zum Nachmittag leicht im Minus gelegen hatte. Hohe Zinsen gelten eigentlich als Bremse für Aktien, doch während Zinserhöhungsphasen legen sie durchaus auch zu. Denn die Entscheidung für höhere Zinsen kann gleichzeitig als Signal für ein stabiles Wirtschaftswachstum angesehen werden.

Die EZB verkündete anders als erwartet kein Programm, wie sie künftig mit "abhängigen" Banken umgehen will, die für ihre Refinanzierung auf die Zentralbank angewiesen sind. Die gestiegenen Zinsen ändern also nichts daran, dass die EZB auch weiterhin Banken unbegrenzt Liquidität zur Verfügung stellt.

In welchen Ländern die Zinswende auf sich warten lässt

USA Seit Dezember 2008 fährt die Federal Reserve (Fed) praktisch eine Nullzinspolitik. Maximal 0,25 Prozent Zinsen müssen Banken zahlen, wenn sie sich bei ihr Geld leihen. Obwohl sich die US-Wirtschaft im Aufwind befindet, vollzieht die Fed Zeit keine Zinswende.

China Im Kampf gegen die steigende Inflation hat die chinesische Notenbank im Oktober begonnen, die geldpolitischen Zügel anzuziehen. Insgesamt viermal hat sie die Zinsen angehoben. Für Kreditlinien mit einjähriger Laufzeit verlangt sie 6,31 Prozent Zinsen.

Japan Japan fährt eine Nullzinspolitik. Sie verlangt auch weiterhin einen Zinssatz von 0 bis 0,1 Prozent, entschied die Notenbank am Donnerstag einstimmig. Der Grund liegt auf der Hand: Mit billigem Geld kann die Bank of Japan den Wiederaufbau nach dem Erdbeben und dem Atomunfall unterstützen.

Großbritannien Die hohe Inflation setzt auch die Bank of England unter Druck. Dem hält sie aber bislang noch stand: Wegen steigender Konjunkturrisiken beließ sie am Donnerstag ihren Leitzins auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent.