Die Visumspflicht für Türken in der EU soll bald fallen. Alle Experten gehen davon aus, dass es schon heute große Lücken in der Sicherheitsarchitektur gibt. Die EU will nun die Kontrollen an ihren Außengrenzen radikal ändern. Bis 2020 soll es voll digitalisiert und viel schneller gehen.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - In den Zeiten des Terrors ist klar geworden, wie schlecht die Geheimdienste und Ermittlungsbehörden in der EU über Ländergrenzen hinweg zusammen arbeiten. Beim Thema Sicherheit wächst daher der Druck auf die EU groß. Erste Schritte werden unternommen. So sollen die Kompetenzen der europäischen Polizeibehörde Europol in Den Haag gestärkt werden. Und: Die EU-Kommission will bis 2020 ein voll digitalisiertes System zur Kontrolle der Ein-und Ausreise von Menschen aus Nicht-EU-Ländern aufbauen. Den Aufbau der zentralen Datenbank und die Umrüstung an allen 1800 Übergängen an den EU-Außengrenzen will sich die EU 480 Millionen Euro kosten lassen.

 

Das herkömmliche System ist betrugsanfällig

Die Herausforderung ist groß: So reisten 2015 allein 50 Millionen Nicht-EU-Bürger über die EU-Außengrenze in den Schengenraum. Viele von ihnen mehrfach: Insgesamt wurden 200 Millionen Ein- und Ausreisen von Nicht-EU-Bürgern in 2015 gezählt. Bis heute wird Neuankömmlingen ein Stempel in den Pass gedrückt, der das Datum der Einreise vermerkt und in der Regel zum Aufenthalt für 90 Tage in der EU berechtigt. Allerdings ist das System mit dem Stempel betrugsanfällig. Stempel werden gefälscht, werden unlesbar. Es gibt keine Datenbanken. Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass die Dunkelziffer der Nicht-EU-Bürger groß ist, die ihre Aufenthaltserlaubnis von 90 Tagen (innerhalb von einem Zeitraum von 180 Tagen) überdehnen. Bislang kann das niemand kontrollieren. Sicherheitslücken soll es selbst in den USA geben, die mit großem Aufwand Aus- und Einreisen kontrollieren. Ein EU-Experte: „Hinter vorgehaltener Hand räumen die USA ein, dass bei ihnen nur die Erfassung der Einreise funktioniert. Wann ein Nicht-Amerikaner wieder ausreist, ist für die Behörden schwierig zu ermitteln.“

Der Stempel im Pass soll bald Geschichte sein

In der EU soll alles bald besser werden. Die Polizei, Grenzer und andere Behörden in allen EU-Staaten sollen ab 2020 Zugang haben zu den Daten aller Nicht-EU-Bürger, die in den Schengen-Raum einreisen. Dies soll helfen beim Kampf gegen den Terror und Kriminalität, aber auch gegen den Betrug mit gefälschten Ausweisen und falschen Identitäten. Das neue System soll für alle Nicht-EU-Bürger gelten, ob sie nun Visa-pflichtig (zur Zeit noch die Türken) oder nicht (US-Bürger beispielsweise). Der Stempel wird ausrangiert, es wird auf Pässe mit biometrischen Merkmalen umgestellt.

Gespeichert werden sollen dann bei jedem Nicht-EU-Bürger diese Daten: Name, Art des Reisedokumentes, biometrische Daten des Gesichtes, die Abdrücke von vier Fingern sowie Zeit und Ort von Aus- und Einreise. Erstmals soll dann das System auch auf Tastendruck am Computer erkennen, ob und wie häufig einem Reisenden bereits die Einreise in ein EU-Mitgliedsland verweigert worden ist.

Polizei, Grenzschützer und Ermittler setzen große Hoffnungen in die Digitalisierung der Grenzkontrollen. Denn die Sicherheitsbehörden klagen noch über „blinde Flecken“ im System. Das Stempeln sei „langsam“ und „unzuverlässig“. Man verspricht sich nun präzise Informationen zu Nicht-EU-Bürgern, die länger bleiben als erlaubt. Dies erleichtere die Kontrollen gerade auch im Schengen-Raum. Es werde damit einfacher, illegale Zuwanderer aufzugreifen und zurück in ihre Länder zu bringen. Es gehe auch um Informationen, aus welchen Drittstaaten diejenigen kommen, die besonders häufig ihre Visa überziehen. Diese Daten seien wichtig, hört man in Brüssel, um zu entscheiden, ob die Visa-Pflicht aufgehoben wird oder eine bestehende Liberalisierung rückgängig gemacht wird. Dies ist vor allem im Hinblick auf die Ukraine und die Türkei interessant. Die Sorge ist da, dass aus beiden Ländern illegale Immigration zunimmt, wenn die Visa-Pflicht fällt.

Kürzere Schlangen am Schlagbaum?

Mit dem biometrischen Pass könnte es künftig an der EU-Außengrenze schon bei der ersten Einreise nur noch 90 Sekunden dauern, bis der Computer grünes Licht gibt. Bei der zweiten Einreise, so der Plan, werde der Computer schon schneller sein und weniger als 60 Sekunden für die Freigabe benötigen. Es soll darüber hinaus neue Technik zum Einsatz kommen, die den Grenzern die Arbeit abnimmt. Per Smartphone-Applikation oder an Kiosken mit Selbst-Bedienung sollen die Reisenden künftig ihre persönlichen Daten schon einmal eingeben können, damit es am Schlagbaum dann schneller geht.