Wieviel Mittel sollte die EU zur Verfügung haben? Der deutsche Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) will mehr Geld für Grenzsicherung, Forschung und Jugendaustausch.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Die EU soll ab 2021 mehr Geld zur Verfügung haben. Bislang standen ihr etwa ein Prozent der Wirtschaftsleistung der Staatengemeinschaft zur Verfügung. Das entspricht etwa 150 Milliarden Euro im Jahr oder rund 1100 Milliarden zwischen 2014 und 2020. Wie verschiedene Tageszeitungen berichteten, will Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) vorschlagen, dass die EU zwischen 2021 und 2027 zwischen 1,13 und 1,18 Prozent der Wirtschaftsleistung ausgeben kann.

 

Das zusätzliche Geld soll der EU zur Verfügung stehen, um Zusatzausgaben im Bereich Flüchtlingsaufnahme, Verteidigung und Forschung zu stemmen. Außerdem muss Oettinger eine Milliardenlücke bei den Einnahmen durch den Austritt des Nettozahlers Großbritannien aus der EU verkraften. Oettinger geht davon aus, dass der EU durch den Brexit zehn bis 13 Milliarden Euro im Jahr fehlen. Der deutsche Kommissar will das Personal der Grenzschutzagentur Frontex, die derzeit 1200 Mitarbeiter hat, verfünffachen. Auch das Erasmus-Programm, das jungen Leuten einen Studien- oder Ausbildungsaufenthalt in einem anderen EU-Land finanziert, will er massiv ausbauen. Derzeit können vier Prozent eines Jahrgangs daran teilnehmen, künftig sollen es zehn Prozent sein.

Bis zu 50 Prozent mehr für die Forschung

Die Forschungsausgaben will er um 40 bis 50 Prozent erhöhen. Bislang gibt es eine so starke Nachfrage nach EU-Forschungsfördergeldern, dass nur zehn Prozent der Anträge bewilligt werden können. Oettinger will dafür sorgen, dass mehr Projekte gefördert und einige neue Programme aufgelegt werden können.

Mit weniger Geld sollen Agrarprogramme und Strukturförderfonds, die etwa zum Bau von Straßen, Flughäfen und Schulen in den Mitgliedstaaten dienen, künftig auskommen. Im letzten siebenjährigen Haushaltsrahmen entfielen auf Agrar- und Strukturmittel 80 Prozent aller Ausgaben. Künftig werden es 60 Prozent sein. Oettinger will vorschlagen, dass die Direktzahlungen an Bauern, die derzeit in Deutschland 280 Euro je Hektar betragen und nicht an die Produktion gekoppelt sind, nicht mehr linear ansteigen. Ab einer bestimmten Betriebsgröße soll der Betrag je Hektar leicht abgeschmolzen werden.

Weniger Geld, wenn der Rechtsstaat geschleift wird?

Erstmals will Oettinger einen Mechanismus einbauen, der die Zahlung von EU-Mitteln daran bindet, dass ein EU-Mitgliedstaat die rechtsstaatlichen Prinzipien der EU nicht verletzt. Sollte ein Mitgliedstaat etwa die Gewaltenteilung nicht respektieren oder die Freiheit der Gerichte einschränken, soll die EU-Kommission die Möglichkeit haben, die Auszahlung weiterer Mittel zu blockieren oder Rückforderungen zu stellen. Der Sanktionsmechanismus gilt als Antwort der Kommission auf Rechtsstaatsverstöße in Polen, Ungarn, Malta und anderen EU-Staaten. Vor allem die Bundesregierung hatte darauf gedrungen, dass Mitgliedstaaten, die sich der mehrheitlich beschlossenen Aufnahme von Flüchtlingen verweigern, ebenfalls mit einem Entzug von Mitteln aus Brüssel bestraft werden können. Diesen Vorschlag verfolgt Oettinger aber nicht weiter. Er geht einen anderen Weg: Mitgliedstaaten, die besonders viele Flüchtlinge aufnehmen und integrieren, sollen stattdessen zusätzlich Geld bekommen.

Oettinger ist in den letzten Monaten in alle Mitgliedstaaten gereist und hat bei den Regierungen um Zustimmung für seine Pläne geworben. Hintergrund ist, dass er neben der Zustimmung des Parlaments auch ein einstimmiges Votum aller nationalen Regierungen in der EU braucht, damit der Haushalt in Kraft treten kann.

Widerstand von ost-europäischen Ländern

Polen, Ungarn, Rumänien und Malta dürften zwar dagegen sein, dass Mittel bei nachgewiesener Korruption und Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit gekürzt werden. Doch Oettinger setzt darauf, dass sie ihren Widerstand aufgeben, wenn Deutschland und andere Nettozahler im Gegenzug bereit wären, mehr in den EU-Haushalt einzuzahlen. Viele osteuropäische Länder bekommen mehr aus Brüssel als sie einzahlen. Sollten sich die Geberländer weigern, ihren Anteil künftig zu erhöhen, müssten sie mit teils empfindlichen Einbußen rechnen.

Oettinger wird konkrete Zahlen zu seinem Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen am Mittwoch vorlegen. Zum Vergleich: Der letzte Haushalt der Bundesrepublik Deutschland umfasste 2017 Ausgaben von 325 Milliarden Euro, was einem Anteil an der Wirtschaftsleistung des Landes von rund zehn Prozent entspricht.