Das Jahr 2022 hat die Zinswende im Euroraum gebracht. Wir geben eine Übersicht, wie oft und wie stark die Europäische Zentralbank (EZB) in diesem Jahr die Leitzinsen erhöht hat – und warum sie so handelt.
2022 ist das Jahr der Zinswende in Europa. Zum ersten Mal seit 2011 hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli die Zinsen angehoben. Grund ist die hohe Teuerungsrate im Euroraum. Die Juli-Erhöhung ist nicht die einzige in diesem Jahr geblieben. Wir geben einen Überblick.
Wie oft hat die EZB die Zinsen erhöht?
Die EZB, die in Frankfurter Stadtteil Ostend direkt am Main residiert, hat im Jahr 2022 insgesamt drei Mal die Zinsen erhöht. Der erste Schritt erfolgte am 27. Juli und betrug 0,5 Prozentpunkte. Am 14. September erhöhte die EZB den Leitzins für Hauptrefinanzierungsgeschäfte um weitere 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent. Und am 2. November stieg dieser wichtigste Zins noch einmal um 0,75 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent. Seit März 2016 hatte er bei null Prozent gelegen.
Neben dem Zins für Hauptrefinanzierungsgeschäfte gibt es noch Zinssätze, zu denen Banken bei der EZB über Nacht Geld anlegen oder leihen können. Ersterer heiß Einlagefazilität und liegt aktuell bei 1,5 Prozent, zweiterer heißt Spitzenrefinanzierungsfazilität und liegt derzeit bei 2,25 Prozent.
Ist ein weiterer Zinsschritt 2022 zu erwarten?
Die nächste geldpolitische Sitzung des EZB-Rates findet am 15. Dezember statt. Die Erwartung am Geldmarkt ist, dass die EZB dann noch einmal bei den Zinsen aufschlagen wird. Auch die EZB hält dies für möglich: „Wir gehen davon aus, dass wir die Zinsen weiter anheben – und die Konjunkturförderung zu entziehen, ist womöglich nicht ausreichend,“ so die EZB-Präsidentin Christine Lagarde laut „Tagesschau“. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel habe ergänzt, es wäre falsch, aus Angst vor einem Abschwung mit weiteren entscheidenden Schritten zu warten.
Die Bemerkung zur Konjunkturförderung bezieht sich auf das Zinsniveau: Ökonomen gehen davon aus, dass Leitzinsen bis zu zwei Prozent die wirtschaftlichen Aktivitäten anschieben. Darüber beginnen sie, die Wirtschaft zu hemmen. Ein weiterer Zinsschritt würde die Überwindung dieser Schwelle bedeuten. Die EZB würde damit also implizit ein Schrumpfen der Wirtschaft im Euroraum auch durch das Zinsniveau in Kauf nehmen. Immerhin haben sich die Konjunkturaussichten zuletzt leicht aufgehellt.
Wer beschließt Leitzinserhöhungen?
Der sogenannte EZB-Rat tritt alle sechs Wochen zusammen und erörtert nötige Maßnahmen in der Geldpolitik. Generell tagt das Gremium zwei Mal pro Monat. Der Rat ist das oberste Beschlussorgan der EZB. Er umfasst die sechs Mitglieder des Direktoriums und die Präsidenten der nationalen Zentralbanken der 19 Mitgliedstaaten des Euroraums. Neben dem Bundesbank-Präsidenten Joachim Nagel ist als weitere Deutsche die Professorin für Finanzmarktökonomie an der Universität Bonn, Isabel Schnabel, als Mitglied des Direktoriums im Rat vertreten.
Warum erhöht die EZB die Zinsen?
Die EZB bezeichnet es als ihr wichtigstes Ziel, die Preise stabil zu halten und so den Wert des Euro zu erhalten. Vor allem durch die enorm gestiegenen Energiepreise infolge des russischen Einmarsches in der Ukraine ist die Inflation auf mehr als zehn Prozent geklettert. Zuletzt lag sie im November bei 10,0 Prozent im Euroraum – etwas niedriger als im Vormonat, wo sie mit 10,6 Prozent einen bisherigen Höchstwert erklommen hatte. Ziel ist es laut den Stabilitätskriterien der Währungsunion, dass das Preisniveau im Vergleich zum Vorjahr um maximal zwei Prozent steigen sollte.