Kaum Fahnen, kein Schulfest, und mit einem Corso rechnet auch niemand. Die Franzosen und Deutschen gehen mit relativ großer Ruhe in das Halbfinalspiel dieser Fußball-Europameisterschaft.

Stuttgart - Sobald man im Zusammenhang mit Frankreich das Wort Baguette erwähnt, gilt man als klischeeverhaftet. Aber so ist er halt, der Nachbar: Ohne das weiße knusprige Stangenbrot geht gar nichts.

 

Auch Irina Dörr, die Chefin vom Bistro Einstein am Wilhelmsplatz in der City, wird heute Abend Baguette servieren: „Belegt mit Schinken, Salat, Käse, ganz wie es die Leute wollen“, sagt sie. 130 Reservierungen habe sie schon vorliegen für das gemeinsame Fernsehen während des Halbfinalspiels. Da wird es eng auf den Bierbänken im Freien.

Die Franzosen selbst trauen dem Wetter wohl nicht so recht. Das Institut Français jedenfalls bereitet sich innerhalb des Hauses in der Schlossstraße 51 auf das Spiel vor. „Wir haben im 4. Stock nur Platz für 60 Besucher, deshalb wird die Party eher klein bleiben“, sagt Laura Walter, die Pressesprecherin. Um 20.30 Uhr wird der Saal geöffnet. Laura Walter: „Mein Tipp ist ein 2:1-Sieg der Deutschen, meine französischen Kollegen tippen natürlich genau andersrum.“

Fußball und Schule

Keiner rechnet mit Franzosen-Corso

An der Deutsch-Französischen Grundschule in Sillenbuch haben die Schüler der Kunst-AG schon vor Wochen ein Plakat angefertigt, auf dem das EM-Logo zu sehen ist. Auf das Halbfinale hin habe man allerdings nichts Spezielles vorbereitet. So hält man es auch am Wagenburg-Gymnasium im Osten, wo die Schüler neben dem Abitur auch das französische Bacalaureat ablegen können. „Was rund um dieses Spiel passiert, es findet privat statt“, sagt der stellvertretende Schulleiter Walter Staudenmaier. „Ich kann morgen höchstens die Tränen trocknen.“

Könnte die Polizei hellsehen, wüsste sie schon jetzt, ob es einen Corso geben wird. „Einen Corso mit Franzosen hatten wir hier noch nie“, heißt es aus der Pressestelle. Vielleicht ist es ja auch besser, wenn sich nach dem Spiel keiner mehr ans Steuer setzt. Der Agenturinhaber von Jacques’ Weindepot im Westen, Thomas Werling, bietet „zu diesem Anlass natürlich französische Weine an“. Im Trend seien leichte, frische und fruchtige Weine, was Sommelier Bernd Kreis bestätigt. Obwohl das traditionelle Getränk zum Fußball immer noch Bier sei, würden sich die Stammkunden zurzeit kräftig für das Spiel eindecken. „Wer grillt, greift eher zu Rot, die anderen eher zu Weißwein oder zu Rosé.“

Spülzüge mit Auswirkung auf die Spülkurve

Was passiert, wenn in ganz Stuttgart viel Nervennahrung durch die Kehle rinnt, zeigt der Wasserverbrauch des Wasserwerks Berg vom Abend des Viertelfinalspiels Deutschland gegen Italien. In den Spielpausen stieg der Wasserverbrauch um fast das Doppelte an. Die Wasserwerker nennen ihre Verbrauchskurve deshalb auch Spülkurve. Ihren ersten Tiefstand zeigt sie kurz nach dem Ausgleichstreffer Italiens. Da wollte keiner vom Bildschirm weg. Vor dem Elfmeterschießen haben sich die Fans dann kräftig erleichtert und fast 6000 Kubikmeter Wasser die Rohre hinabbefördert. Als die Elferschützen zum Schuss ansetzten, flossen nur noch Rinnsale (2000 Kubikmeter) durch die Leitungen. Hectors Tor brachte die Erlösung, und es hieß wieder Wasser marsch. Für das Spiel gegen Frankreich erwarten die Wasserwerker einen ähnlichen Spülverlauf.

Spiele zwischen Deutschland und Frankreich gab es übrigens auch schon in Stuttgart. Genau gesagt drei. Allerdings mit abnehmendem Fortune für die Allemands. Im März 1937 schlug Deutschland Frankreich klar mit 4:0. Im Oktober 1962 reichte es immerhin noch zu einem 2:2-Unentschieden, während das Spiel am 1. Juni 1996 dann 0:1 verloren ging. Setzt man diese Reihe fort, wäre jetzt mal wieder ein Sieg fällig. Dummerweise findet die Partie nicht im Städtle statt, sondern in Marseille.