In Brüssel wird Kritik an Landesjustizminister Guido Wolf laut. Der CDU-Politiker vernachlässige seinen zweiten Verantwortungsbereich Europa und falle in der Landesvertretung von Baden-Württemberg mit einseitigen Entscheidungen auf. Dort wächst der Unmut.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Am Donnerstag soll in der Brüsseler Landesvertretung von Baden-Württemberg das traditionelle Sommerfest steigen. Der Hausherr, Europaminister Guido Wolf (CDU), erwartet zu seinem Weinfest rund 300 Gäste. Doch Partylaune haben die wenigsten im Haus. Die Stimmung ist schlecht. Das fängt schon mit Gerüchten an, die bis nach Stuttgart zu hören sind. Dort heißt es, Guido Wolf habe versucht, den deutschen Kommissar Günther Oettinger als Gastredner beim Weinsommer zu verhindern. Das wäre mindestens eine Überraschung, zumal beide der CDU angehören.

 

In der Landesvertretung bestätigt man diese Version ausdrücklich nicht. Gastgeber Guido Wolf habe zu bedenken gegeben, dass Oettinger bei ähnlichen Veranstaltungen schon häufig geredet habe, heißt es dort. Der Minister wollte ein „nicht so gewöhnliches Programm“. Wie zu hören ist, habe das Europaministerium gebeten, zuerst beim Präsidenten des Europaparlaments, dem Italiener Antonio Tajani, an zweiter Stelle beim irischen Landwirtschaftskommissar Phil Hogan und an dritter Stelle bei Oettinger anzufragen. Für beide gilt: Sie hätten nicht auf Deutsch zum überwiegend deutschen Publikum gesprochen, und beide gelten nicht als überragende Redner. Da Tajani und Hogan abgesagt haben, kommt der deutsche Kommissar zum Zug. Ende Januar hatte Oettinger beim Neujahrsempfang von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) viel Beifall bekommen.

Den Leiter der Landesvertretung kalt gestellt?

Auch sonst knirscht es. Das Verhältnis zwischen Wolf und dem Leiter der Landesvertretung, dem ehemaligen Karlsruher SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Jung, gilt als zerrüttet. Dem Vernehmen nach schneidet Wolf den hoch dotierten Abteilungsleiter in Brüssel von Informationen ab. Früher bekam Jung wie der Chef der Berliner Landesvertretung selbstverständlich eine Einladung vom Chef der Staatskanzlei, Klaus-Peter Murawski, zu jeder Vorbesprechung vor der Kabinettssitzung. Jung war da seit Amtsantritt 2012 regelmäßig. Wolf soll dafür gesorgt haben, dass er nicht mehr eingeladen wird. Wolf versuche zudem, Jung in der Landesvertretung kaltzustellen. Die Berichte der nach Brüssel als Beobachter abgeordneten Mitarbeiter aus den Fachministerien sollen nicht mehr über seinen Tisch gehen.

Gegenüber unserer Zeitung erklärt der Sprecher von Wolf, wie er die Dinge sieht. Die „Behauptung“, dass Oettinger erst an dritter Stelle für ein Grußwort anzufragen sei, „ist falsch“. Alle drei seien gleichrangig angefragt worden. Dass Jung nicht mehr an der Vorbesprechung des Kabinetts teilnimmt, wird mit formalen Gründen erklärt: Die Landesvertretung sei jetzt keine Abteilung des Staatsministeriums mehr. „Die Einladung fällt in die alleinige Zuständigkeit des Staatsministeriums.“

Verlorenen Boden noch nicht gut gemacht

Dennoch macht sich unter Abgeordneten aus dem Südwesten Unmut breit. Unter Wolf habe sich ein Klima des Misstrauens, des Unverständnisses, ja teilweise des Desinteresses für EU-Themen breit gemacht. Sie erzählen vom früheren Glanz der Landesvertretung unter Führung von Richard Arnold, heute OB von Schwäbisch Gmünd. Damals sei das Haus, ideal zwischen Parlament, Rat und Kommission gelegen, ein Publikumsmagnet gewesen. „Wenn man die richtigen Leute treffen wollte, musste man abends da hin“, so ein Unionsabgeordneter. Der neue Chef der CDU/CSU-Gruppe innerhalb der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), Daniel Caspary aus Nordbaden, kritisiert: „Die Landesvertretungen von Hessen und Bayern sind an uns vorbeigezogen. Wir arbeiten unter unseren Möglichkeiten.“ Aus seiner Unzufriedenheit mit der Südwest-Vertretung macht auch Rainer Wieland (CDU), Vizepräsident des Europaparlaments, kein Hehl: „Wir haben unter Grün-Rot Boden verloren und seit dem Regierungswechsel auch nicht wieder aufgeholt.“

„Ist das Europa-Ressort in Stuttgart besetzt?“

Die Europaministerinnen und Bevollmächtigten aus Hessen und Bayern sind ständig präsent in Brüssel. Guido Wolf ist deutlich seltener vor Ort, für themenbezogene Veranstaltungen etwa zur Reform der EU oder zur Digitalisierung in der Landesvertretung konnte er bisher nicht gewonnen werden. In Berlin wäre der Europaminister auch gefragt: Baden-Württemberg hat traditionell den Vorsitz im Europa-Ausschuss des Bundesrates. Ein Mitglied der baden-württembergischen Landesgruppe im Bundestag kritisiert, dass Wolf dort keine Aktivitäten entwickele: „Ich habe mich schon wiederholt gefragt, ob das Europa-Ressort in Stuttgart überhaupt besetzt ist.“

Wichtigstes Gremium für den Südwesten in Brüssel ist der Ausschuss der Regionen (AdR). Wolf ist hier seit September einer von 350 Mitgliedern. Seine Vorgänger Peter Friedrich (SPD) und Wolfgang Reinhart (CDU) waren bei dem Gremium, das die EU offiziell berät, Stammgast. Der Sprecher von Wolf räumt ein, der Minister habe den AdR mehrfach wegen aktueller Termine im Landtag absagen müssen. Dies bedauere der Minister. Er habe dort aber „eine Anwesenheitspflicht, die er aus Respekt vor dem Parlament sehr ernst nimmt.“