Die Meinungsforscher haben ein Erstarken der Rechten vorhergesagt. Dass es derartige Erdrutschsiege wie die in Frankreich oder Großbritannien geben würde, hat keiner erwartet. Doch die Populisten und Extremisten sind zersplittert.

Brüssel - Die Meinungsforscher haben ein Erstarken der Rechten vorhergesagt. Dass es derartige Erdrutschsiege wie die des Front National in Frankreich (24,9 Prozent), der Ukip in Großbritannien (27,5 Prozent) oder der Dänischen Volkspartei (26,6 Prozent) geben würde, hat keiner erwartet. Auch in anderen Ländern legten die Rechten zu: Die FPÖ kam in Österreich auf etwa 20,5 Prozent, die rechtsextreme Jobbik wurde mit 14,6 Prozent zweitstärkste Kraft in Ungarn, und in Griechenland holte die rechtsradikal-rassistische Goldene Morgenröte 9,4 Prozent. Da mutet der eine Parlamentssitz der NPD in Deutschland geradezu winzig an.

 

Rückt Europa nach rechts? Nach absoluten Zahlen sieht es ganz danach aus: Hatte die Fraktion der Rechtspopulisten und Nationalkonservativen im Europaparlament von 2009 noch 31 Sitze, sind es jetzt 38. Und hinzu kommen viele der 63 Sitze, deren Inhaber noch in keiner der bisherigen Fraktionen sind. Dazu gehören zwar auch des Rechtspopulismus völlig unverdächtige Parteien wie die Piraten oder die Tierschutzpartei, aber eben auch die vier Sitze der FPÖ oder die drei von Jobbik. Insgesamt geht man derzeit von etwa 80 Sitzen für die Rechtsaußenparteien aus.

Wir hier unten gegen die da oben, das kommt offenbar gut an.

Die Gründe für die Erfolge der rechten Parteien sind in jedem Land unterschiedlich. Eines haben sie aber gemein: mit Anti-EU-Parolen, nationalen Parolen und Ressentiments gegen Zuwanderer lassen sich viele Wähler ködern. Wir hier unten gegen die da oben, das kommt offenbar gut an.

Betrachtet man die Wahlprogramme der rechten Parteien, endet die Gemeinsamkeit bei der Europaskepsis. Manche wollen raus aus der EU, andere nur ihren Einfluss eindämmen. Die europaskeptische Alternative für Deutschland (AfD) hat bereits angekündigt, nichts mit rechten Parteien zu tun haben zu wollen. Sie wollen in die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR), der auch die britischen Tories um Cameron oder die nationalkonservativen PiS um Kaczynski in Polen angehören.

Mit den Rechtspopulisten der Ukip um Nigel Farage in Großbritannien will die AfD nicht kooperieren. Farage wiederum bleibt auf Distanz zu anderen Rechtspopulisten. Und die ihrerseits wollen nichts mit den Rechtsextremen wie Jobbik oder der Goldenen Morgenröte zu tun haben. Jeder kann auf den Nächsten zeigen und sagen: „Die sind doch viel schlimmer als wir.“

Einige Positionen widersprechen sich sogar fundamental. Beispielsweise geben sich die Dänische Volkspartei oder auch Geert Wilders’ PVV in den Niederlanden betont islamfeindlich. Für die rechtsextreme und antizionistische Jobbik in Ungarn ist der Islam hingegen „der Feind gegen die Düsternis der Globalisierung“, wie der Parteichef Gabor Vona auf der Jobbik-Website erklärt.

Hier tritt ein grundsätzliches Problem der internationalen Zusammenarbeit fremdenfeindlicher Parteien zu Tage: In einer politischen Gemeinschaft der Rechtspopulisten und Rechtsextremen ist der Fraktionspartner eben „auch nur ein Ausländer“. So sieht es auch die Heidenheimer Europaparlamentsabgeordnete Inge Grässle (CDU): „Eine rechtsextreme Internationale ist ein Widerspruch in sich.“

Es müssen aber Parteien aus sieben Ländern dabei sein

Was wird also aus der von Front-National-Chefin Marine Le Pen und PVV-Chef Geert Wilders groß angekündigten rechtsradikalen Fraktion? Die nötigen 25 Mandate zur Fraktionsbildung bekommen die beiden Parteien hin. Es müssen aber Parteien aus sieben Ländern dabei sein und da wird es schon schwieriger. Wer kommt noch infrage? Lega Nord in Italien, FPÖ in Österreich, Schwedendemokraten? Vielleicht gar die Goldene Morgenröte? Selbst das würde nicht reichen.

Und sollte Le Pen eine Fraktion formen könnte: mehr als zwei Drittel der Sitze im Europaparlament gingen an proeuropäische Parteien. Der Mannheimer Europaparlament-Abgeordnete Peter Simon (SPD) sieht im Aufstieg der Rechten eine „Herausforderung für die europakonstruktiven Parteien“. Es würde in Zukunft eben schwerer, Mehrheiten ohne die extremen Rechten oder Linken zu finden. Die CDU-Abgeordnete Grässle ist hingegen überzeugt: „Die Rechten werden kaum Sand ins Getriebe des Parlaments streuen können.“