Offenbar war die Planung zu optimistisch: Das am neu bebauten Europaplatz vorgesehene Ärztehaus wird es nun doch nicht geben. Kein Mediziner wollte in eine der vier Praxen einziehen.

Fasanenhof - Das Ärztehaus auf dem Europaplatz ist Geschichte. „Für die ursprünglich vier geplanten Praxen hat die GWG zahlreiche intensive Gespräche geführt, allerdings konnten keine Ärzte für den neuen Standort gewonnen werden“, sagt Katrin Lebherz, die Pressesprecherin der Gesellschaft für Wohn- und Gewerbebau (GWG). Die Einheiten im ersten und zweiten Obergeschoss habe man zwischenzeitlich an die Firma NWD Nordwest Dental vermietet. Deren Aufgabenschwerpunkt liege beim Vertrieb von dentalmedizinischen Geräten, Dental-Artikeln und Dienstleistungen.

 

„Ich bin sehr enttäuscht“, sagt Jürgen Lohmann, der Bezirksvorsteher von Möhringen. Das Ziel beim Neubau des Europaplatzes sei es gewesen, diesen zu beleben und etwas für die Bevölkerung zu tun. Eine Arztpraxis in der Nähe wäre da genau richtig gewesen, wenn man an die stets älter werdende Gesellschaft denke. Das Unternehmen, das nun hineinkomme, hätte genausogut im Gewerbegebiet unterkommen können. Den Bewohnern des Fasanenhofs bringt es freilich nichts.

Es gibt derzeit keine Neugründungen von Arztpraxen

Die GWG gibt zu den Gründen, weshalb die angesprochenen Ärzte ablehnten, keine genaueren Auskünfte. Kai Sonntag, der Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, kann sich indes gut erklären, weshalb es so gekommen ist. „Wir bekommen häufig mit, dass solche Vorhaben zu optimistisch geplant sind“, sagt er. Städte, Gemeinden oder Investoren sähen Ärztehäuser als sinnvoll an und strebten eine Einrichtung dieser an. Da es derzeit aber keine Neugründungen von Arztpraxen gebe, müssten die Ärzte ihre angestammte Praxis aufgeben und dorthin umziehen, erklärt Sonntag. Das wolle freilich gut überlegt sein.

Dass es so gut wie keine Neugründungen mehr gibt, liegt bei Fachärzten an der Kontingentierung. „Die Menge an Arztsitzen ist gesetzlich geregelt, in Stuttgart dürfte sich derzeit kein neuer Facharzt niederlassen“, erklärt Sonntag. Dies bedeute, dass man lediglich bestehende Praxen übernehmen könne. Bei Hausärzten sei die Situation anders. „Da gibt es noch eine Reihe von Gebieten, wo man sich neu niederlassen könnte“, sagt er. Dies sei aber trotzdem selten, weil die Übernahme einer bestehenden Praxis mit bereits existierendem Patientenstamm natürlich sinnvoller sei, so der Pressesprecher. „Also gibt es auch bei den Hausärzten praktisch keine Neugründungen.“

Die Entscheidung, in ein Ärztehaus umzuziehen und die angestammten Praxisräume aufzugeben, müsse also schon sehr gute Gründe haben, sagt Sonntag. Schließlich sei ein Umzug stets mit Kosten verbunden und die Bedingungen müssten passen, erklärt er. All dies bedeute letztendlich, dass „die Planer die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben“, resümiert Sonntag. Ein Ärztehaus sei kein Selbstläufer, wenn man einfach nur beschließe, irgendwo eines zu gründen.

Keine Vorgabe im städtebaulichen Vertrag

Wie kam es zu der Idee, auf dem neu gebauten Europaplatz ein Ärztehaus vorzusehen? Auf Anfrage teilt Sven Matis, der Pressesprecher der Stadt Stuttgart, mit, dass dieses „nicht Vorgabe der Auslobung des städtebaulichen Architektenwettbewerbs, sondern die Idee des Preisträgers“ war. Das ist das Esslinger Architekturbüro Project GmbH. Im städtebaulichen Vertrag seien bezüglich der Art der baulichen Nutzung keine Regelungen, wie zum Beispiel ein Ärztehaus, getroffen, so Matis weiter. „Der Bebauungsplan aus dem Jahr 2012 setzt in diesem Bereich ein Mischgebiet fest. Neben der Nutzung als Ärztehaus sind beispielsweise auch sonstige gewerbliche Nutzungen zulässig“, erklärt er.

Wie Jürgen Lohmann sagt, komme die schlechte Nachricht nicht überraschend für ihn. „Ich hatte das befürchtet“, sagt der Bezirksvorsteher. Bereits bei Gesprächen im Vorfeld der Neubebauung habe er von einem Arzt und einen Physiotherapeuten gehört, dass diese Zweifel am Konzept des Ärztehauses hegten.