Die Mobile Jugendarbeit weiht einen Bauwagen hinter der Stadtbibliothek ein. Regelmäßig öffnet der Wagen künftig jeden Donnerstag und Freitag zwischen 16 und 21 Uhr. Was steckt dahinter?

Der Wind zerrt und reißt an dem Pavillonzelt vor dem nagelneuen azurblauen Bauwagen. Immer wieder fegen am Samstagnachmittag heftige Böen durch die Lücken zwischen den mächtigen Gebäuden. Europawetter, meint einer der umstehenden und lacht.

 

Gemeint ist damit: Im Europaviertel hinter dem Hauptbahnhof, wo die turmhohen Bauten tiefe Straßenschluchten bilden, die wie Windkanäle wirken, ist es so windig wie sonst nirgendwo in der Stadt. „Selbst im Sommer kann man hier frieren“, sagt Klausjürgen Mauch, bei der Evangelischen Gesellschaft (Eva) zuständig für die Mobile Jugendarbeit im Europaviertel.

Beliebter Treffpunkt

Nach wie vor scheint der Platz zwischen Milaneo und Stadtbibliothek Jugendliche jeden Alters magisch anzuziehen. Ein idealer Ort, um sich zu treffen, zu zeigen oder einfach ein bisschen abzuhängen. Der Zuspruch ist ungebrochen, auch acht Jahre nach Eröffnung des Einkaufszentrums. Warum das so ist, war bereits Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Das Ergebnis: Die Mischung von Kommerz und Kultur auf engstem Raum macht es. Die Stadtbibliothek bietet Rückzugsräume, im Shoppingcenter lässt sich auch mit vergleichsweise wenig Geld wenigstens ein Stück weit an der Konsumwelt partizipieren.

In der Vergangenheit führte der Ansturm von Teenagern und jungen Erwachsenen mitunter zu Konflikten rund um den Mailänder Platz. „Bei der Planung des Europaviertels“, sagt Mauch, „wurden die Jugendlichen einfach nicht mitgedacht.“ Schon seit dem Jahr 2018 sind deshalb die Sozialarbeiter und Streetworker der Mobilen Jugendarbeit vor Ort. Zuerst mit einem Pavillon, dann mit einem Zelt, bis 2020 schließlich mit einem uralten Wohnwagen, erzählt die Sozialarbeiterin Lea Woog. Kurz bevor die Pandemie ausbrach, war der Wohnwagen dann schrottreif. Durchgetanzt, wie einer der Sozialarbeiter meint.

Sieben Meter langer Bauwagen

Nach zweijähriger Wartezeit konnte die Mobile Jugendarbeit am Samstag endlich ihr „zweites festes Zuhause“ an der Südseite hinter der Stadtbibliothek einweihen: Der sieben Meter lange blaue Bauwagen ist ausgestattet mit allerlei Sitzgelegenheiten und bietet noch viel freien Raum zum Selbstgestalten. Gekostet hat der Wagen, den die Stadt Stuttgart finanziert, rund 16 000 Euro. „Hinzu kommen noch einige Tausend Euro für den Ausbau“, sagt Mauch. Der solle unter Anleitung eines Schreiners in den nächsten Wochen von den Jugendlichen selbst bewerkstelligt werden.

Weil auch die benachbarte Stadtbibliothek künftig im Bauwagen wieder Veranstaltungen mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen anbieten möchte, haben sich auch Mitarbeiter der Bibliothek mit Vorschlägen für die künftige Inneneinrichtung eingebracht. Geht es nach den Verantwortlichen, soll freilich auch der Bauwagen eine Interimslösung bleiben. „Schön wäre, wenn wir irgendwann mit einem Tiny-Haus am Standort weiterarbeiten könnten“, sagt Jutta Jung, die Leiterin der Mobilen Jugendarbeit bei der Caritas.

Donnerstag und Freitag zwischen 16 und 21 Uhr geöffnet

Die Leiterin der Stadtbibliothek, Katinka Emminger, die am Samstag an der Inbetriebnahme des Bauwagens teilgenommen hat, ist vom Erfolg des Projekts der Mobilen Jugendarbeit überzeugt: „Die Schwierigkeiten, die es auch in der Stadtbibliothek am Anfang mit den Jugendlichen gab, gibt es heute überhaupt nicht mehr“, sagt die Bibliothekarin. Die Jugendlichen nutzten inzwischen die Einrichtung längst nicht mehr nur als Aufenthaltsort. Mit Peter Marus hat die Stadtbibliothek eigens einen Mitarbeiter bereitgestellt, der im Bauwagen-Team die Sozialarbeiter von Eva und Caritas unterstützt.

Regelmäßig geöffnet hat der azurblaue Bauwagen hinter der Stadtbibliothek jeden Donnerstag und Freitag zwischen 16 und 21 Uhr. „Zweiwöchig auch an Samstagen und öfter auch mal dienstags“, erklärt die Sozialarbeiterin Woog, die am Samstag auch die „Autonummer“ am Bauwagen angebracht hat: MJA-EV1 lautet ab sofort das Kennzeichen der neuen Anlaufstelle für Jugendliche im Europaviertel.