Mit dem dicken Minus für die CDU dürfte es für Landeschef Thomas Strobl ungemütlich werden in den eigenen Reihen. Wie geht es weiter in der Strobl-Frage?

Stuttgart - Als am Sonntagabend das Ergebnis verkündet wird, zeigt sich CDU-Landeschef Thomas Strobl nicht. Zuerst hieß es, er sei im Landtag bei der zentralen Wahlparty. Dort sagte Strobl aber kurzfristig ab. Parteikollegen vermuten ihn in Berlin. Seine Sprecher sind am Wahlabend zunächst nicht erreichbar. Und doch richten sich nun alle Augen auf ihn. Mit dem dicken Minus für seine Partei dürfte es für Strobl ungemütlich werden in den eigenen Reihen.

 

Denn die CDU hat bei der Europawahl massive Verluste eingefahren. Die Partei kommt nach einer SWR-Hochrechnung auf 30,5 Prozent - das sind 8,8 Prozentpunkte weniger als 2014 und das schlechteste Ergebnis bei einer Europawahl im Land. Die Grünen legen 10,7 Punkte zu und kommen auf 23,9 Prozent. Auch bei den Gemeinderatswahlen sind die Christdemokraten in den großen Städten Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim neben der SPD der große Verlierer.

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Schicksalswahl für den Kontinent

Die Europawahl wird häufig als Schicksalswahl für den Kontinent bezeichnet. Nach dieser Schlappe für die CDU könnte es im Südwesten nun auch um das Schicksal von Thomas Strobl gehen. Dem Landesverband droht ein Beben. Die Partei ist zerrissen, streitet schon seit Monaten hinter vorgehaltener Hand darüber, wer 2021 als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl antreten soll.

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Viele räumen der resoluten Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) größere Chancen ein als Strobl. Zumal der Spitzenkandidat 2021 womöglich gegen den beliebten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) ins Feld ziehen muss. Strobl könne zu gut mit Kretschmann, ihm fehle es an Profil, Kantigkeit, Führungsstärke, heißt es bei den Kritikern.

Bisher übte sich die Partei in Geschlossenheit, um den Wahlkämpfern nicht in den Rücken zu fallen. Nun dürfte der Konflikt nicht mehr lange unter der Decke zu halten sein. Das Gemunkel und Geläster über den Vorsitzenden dürfte nun mit jedem Tag lauter werden.

Eisenmann, die von Strobl ins Amt gehievt wurde, könnte sich bald aus der Deckung wagen und den Parteichef offen herausfordern. Von der vielbeschworenen langjährigen Freundschaft zwischen den beiden ist nichts mehr zu spüren. Spricht man Strobl auf Eisenmann an, wird er schmallippig. Sie sei eine gute Kultusministerin, sagt er dann, und habe seine Erwartungen erfüllt.

Was wird Strobl nun tun?

Er hat sich nach eigenen Worten bereits lange entschieden, ob er antreten wird, sich aber noch nicht erklärt. Er kam bereits vor ein paar Jahren nicht zum Zuge, verlor den Kampf um die Spitzenkandidatur 2016 gegen Guido Wolf (CDU). Der Druck auf Strobl wächst.

Die Enttäuschung in der Partei ist am Sonntagabend jedenfalls groß. Bei der Wahlparty der Parteien im Landtag sind kaum CDU-Abgeordnete vertreten. Die, die da sind, sind frustriert. „Wir stehen nicht gut da“, sagt Landtagsvizepräsidentin Sabine Kurtz (CDU) und blickt fassungslos um kurz nach 18 Uhr auf den Bildschirm in der Aula. „Das ist kein gutes Zeichen. Das muss Sorge bereiten“, sagt sie. Man müsse an der Kommunikation arbeiten, die Herzen der Menschen erreichen. Dazu brauche man auch die Menschen, die das können, sagt sie, ohne Namen zu nennen. Sie sagt nur: „Wir sind nicht gut aufgestellt.“

CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart schickt wenige Minuten nach der ersten Prognose eine Pressemitteilung raus, spricht von einer „Zäsur zur Neuorientierung und Selbstbestimmung“ für die CDU. In der Kommunikationsfähigkeit müsse sich die Partei deutlich verbessern. Reinhart fordert „mehr Diskursfähigkeit, mehr konzeptionelle Kraft und mehr offensive Profilierung“.

Eine Stunde nach der ersten Prognose meldet sich der Parteichef zu Wort - und interpretiert das Wahlergebnis in einer Pressemitteilung auf ganz eigene Art. Die CDU sei mit Abstand die stärkste Kraft bei der Europawahl, das Ergebnis im Land sei besser als im Bund, schreibt Strobl. Und man sei bei den Europawahlen auf die politische Großwetterlage angewiesen. „Das Ergebnis kann bundesweit nicht unseren Ansprüchen genügen.“ Die inhaltliche Positionierung der CDU in Deutschland müsse etwa bei Themen wie dem Klimaschutz optimiert werden. Zur personellen Positionierung in Baden-Württemberg sagt Strobl nichts.