Europawahl Europa ringt um eine Linie in Sachen Asyl
Immer wieder kommt es zum Streit zwischen den Parteien um das Asylrecht. Vor allem die Länder in Ostereuropa stemmen sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen.
Immer wieder kommt es zum Streit zwischen den Parteien um das Asylrecht. Vor allem die Länder in Ostereuropa stemmen sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen.
Stuttgart - Europa ist weit entfernt von einer gemeinsamen Migrations- und Flüchtlingspolitik. Nach der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 haben sich tiefe Risse in der Union gezeigt. Hier die wichtigsten Fragen.
Fluchtrouten Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex fliehen immer weniger Menschen nach Europa. Die Menschen wählen inzwischen häufiger die westliche Mittelmeerroute nach Spanien. Im Jahr 2018 gab es knapp 130 000 illegale Grenzübertritte, das sind etwa zwei Drittel weniger als im Vorjahr. Der Grund für die Verschiebung der Fluchtroute ist der Anti-Immigrationskurs der italienischen Regierung. Innenminister Matteo Salvini hat Seenotrettungsschiffen mehrmals untersagt, italienische Häfen anzulaufen. Die meisten Menschen, die in Spanien ankommen, stammen aus Marokko, Guinea und Mali. Auf der östlichen Mittelmeerroute über die Türkei sei nach Frontex-Angaben die Zahl illegaler Grenzübertritte von Januar bis Oktober 2018 im Vergleich zu 2017 um 37 Prozent auf 47 100 angestiegen – viele Fälle würden dabei bereits an der Landgrenze zur Türkei registriert. Die größte Gruppe sind Geflüchtete aus Syrien und dem Irak.
Schutzbedürftige Nach absoluten Zahlen hat Deutschland am meisten Schutzbedürftige (1,41 Millionen) aufgenommen – vor Frankreich und Schweden. Unter dem Begriff fallen Flüchtlinge, Asylbewerber, Staatenlose und sonstige Schutzbedürftige. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl sieht es anders aus. Dann liegt etwa Schweden mit 330 Schutzbedürftigen pro 10 000 Einwohner deutlich vor Deutschland (171). Auch Österreich (197) und Zypern (180) liegen proportional vor der Bundesrepublik. Schlusslichter sind bei dieser Betrachtung Spanien mit elf Schutzbedürftigen pro 10 000 Einwohner, Polen (sechs), Ungarn (sechs) und Portugal (ein Schutzbedürftiger).
Flüchtlinge Werden ausschließlich die Flüchtlinge und Asylsuchenden gezählt, dann hat die Türkei Ende 2017 nach Angaben des UNHCR mit circa 3,5 Millionen Menschen weltweit die meisten Menschen aufgenommen, gefolgt von Deutschland mit rund 1,4 Millionen. Dahinter folgen Länder wie Pakistan, Uganda, Libanon. Wenn zu den Flüchtlingen und Asylsuchenden auch noch die Binnenvertriebenen und Staatenlosen dazugezählt werden, steht Kolumbien weltweit mit fast acht Millionen an der Spitze, gefolgt von Syrien mit knapp über sieben Millionen. Deutschland liegt bei dieser Zählweise an 16. Stelle.
Verteilung Bislang gilt das Dublin-Prinzip. Das Mitgliedsland, in dem Zuwanderer erstmals EU-Boden betreten haben, ist für sie zuständig. Dieses Prinzip wurde unbrauchbar, als ab Spätsommer 2015 die Zuwandererzahlen in die Höhe schossen, die Ankömmlinge in Griechenland und Italien aber nicht ihren Asylantrag stellten, sondern sich auf der Balkanroute nach Österreich und Deutschland aufmachten. Die EU-Kommission hat eine Reform des Dublin-Prinzips vorgeschlagen. Es sieht Härteregelungen vor. Für den Fall, dass wieder viele Flüchtlinge kommen, sollen sie auf weniger belastete Mitgliedstaaten verteilt werden. Länder, die dennoch nicht bereit sind, Migranten aufzunehmen, sollen stattdessen 250 000 Euro pro Migrant „Solidaritätsbeitrag“ an den Mitgliedstaat zahlen, der einspringt. Doch dieser Vorschlag wird von den Osteuropäern abgelehnt.
Streit Die Verteilung der Flüchtlinge ist umstritten. Am Anfang waren es nur osteuropäische Staaten wie Ungarn, Polen und Tschechien, die sich gegen eine Umverteilung aus dem stärker belasteten Italien und Griechenland wehrten. Inzwischen gehören auch Österreich und Italien zu den Ländern, die sich grundsätzlich gegen eine Aufnahme von Zuwanderern stellen. Dies hängt auch damit zusammen, dass es Regierungswechsel gab. So sind nun in Italien Politiker an der Macht, die eine härtere Gangart in der Zuwanderungsfrage fahren.
Programm Die EU hatte bis 2017 ein Relocation-Programm zur Umverteilung von Flüchtlingen angeschoben. Doch das scheiterte. Ziel war es, 160 000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien auf andere EU-Staaten zu verteilen. Tatsächlich wurden aber nur 25 886 Menschen aus Italien und Griechenland von anderen Staaten übernommen.
Rücknahmeabkommen Mit seiner Ankündigung, Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen, die schon anderswo einen Asylantrag gestellt haben, hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im vergangenen Juni eine Regierungskrise ausgelöst. Die Union einigte sich schließlich auf einen Kompromiss. Sowohl mit Österreich als auch Griechenland und Spanien hat Deutschland entsprechende Vereinbarungen getroffen. Nun zeigt sich: Seit vergangenem Sommer sind nur elf Migranten auf Grundlage dieser Abkommen von der deutch-österreichischen Grenze zurückgeschickt worden; neun davon nach Griechenland und zwei nach Spanien.
Forderung Die EU braucht eine gemeinsame Migrations- und Flüchtlingspolitik, in der geregelt ist, wie im Krisenfall verfahren wird. Ob Quote oder nicht – die Länder an der EU-Außengrenze fordern Unterstützung. Dazu gehört auch eine Einigung auf Regelungen für Asylverfahren und gemeinsame Aufnahmebedingungen sowie die Sicherung der EU-Außengrenzen. Zusätzlich gibt es Forderungen, einen einheitlichen Weg für legale Einwanderung zu definieren. Damit könnte eine gesteuerte Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften erreicht werden.
Grüne
Die Partei der Grünen fordert ein europäisches Einwanderungsrecht, das legale Migration ermöglicht. Sie wollen zudem ein einheitliches EU-Asylsystem mit einem fairen und solidarischen Verteilungsmechanismus. Zudem wollen sie ein europäisch organisiertes und finanziertes ziviles Seenotrettungssystem.
CDU/CSU Die CDU/CSU möchte, dass die europäischen Außengrenzen durch Aufstockung der Grenzschutzagentur Frontex besser geschützt werden. Zum anderen tritt die Union mit dem Ziel an, die illegale Migration durch ein gezieltes Vorgehen gegen Schlepperbanden zu unterbinden. In Transitzentren an den europäischen Außengrenzen sollen Migranten registriert und ihre Identität festgestellt werden.
SPD Die SPD will die Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik „humanitär und solidarisch“ gestalten. Auch die Sozialdemokraten fordern einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen und einen verstärkten Kampf gegen Schlepperbanden. Die Fluchtursachen sollen bekämpft werden durch fairen Handel und eine ausgebaute Entwicklungszusammenarbeit.
FDP Die FDP will die Befugnisse von Frontex ausbauen. Die Agentur soll auch durch mehr Personal zu einer „echten Grenzschutzbehörde“ werden. In Europa soll zu dem ein einheitliches Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungsrecht geschaffen werden.
Linke Die Linke fordert die Auflösung der Grenzschutzagentur Frontex. Die Partei will stattdessen ein ziviles Seenotrettungsprogramm aufbauen. Außerdem sollen Möglichkeiten geschaffen werden, dass Asylsuchende legal und sicher nach Europa einreisen können. Damit soll den Schleppern die Grundlage für ihre Arbeit entzogen werden.
AfD Die AfD will die Asyl- und Zuwanderungspolitik ganz in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten überführen. Dazu gehört auch, aus entsprechenden UN-Abkommen auszusteigen. Die Arbeit von Frontex hält die Partei für kontraproduktiv. Der Schutz der Grenzen müsse von jedem Land alleine geleistet werden.