Die Niederländer waren die ersten, die am Donnerstag noch vor den Briten die Wahllokale aufmachten - und auch die ersten, die Prognosen für den Ausgang der Europawahl bekanntgaben. Das schwache Ergebnis der anti-europäischen Wilders-Partei ist eine faustdicke Überraschung.

Den Haag/London - Die anti-europäische Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders hat bei der Europawahl in den Niederlanden offenbar eine überraschend deutliche Schlappe erlitten. Nach einer Prognose, die das niederländische Fernsehen am Donnerstagabend nach Schließung der Wahllokale veröffentlichte, landete seine Partei für die Freiheit (PVV) mit 12,2 Prozent auf Platz vier - und knapp fünf Prozentpunkte unter ihrem Ergebnis von 2009. Große Gewinne verbuchte demnach die pro-europäische linksliberale Partei D66, die auf 15,6 Prozent kam und damit knapp vor den Christdemokraten (15,2) lag.

 

Die rechtsliberale Regierungspartei VVD verbuchte den Angaben zufolge leichte Gewinne und landete mit 12,3 Prozent auf Platz drei. Ihr sozialdemokratischer Koalitionspartner büßte dagegen fast drei Prozentpunkte ein und kam auf 10,0 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit etwa 37 Prozent etwa ebenso hoch wie 2009. Rund 12,5 Millionen Bürger waren am Donnerstag aufgerufen, die 26 niederländischen Abgeordneten neu zu bestimmen.

Betretene Stille bei Wilders-Wahlparty

Die niederländische Prognose beruht auf Befragungen von rund 40 000 Wählern nach der Stimmabgabe. Offizielle Ergebnisse werden erst nach Schließung der letzten Wahllokale in Europa am Sonntagabend nach 23.00 Uhr in Italien bekanntgegeben.

Auf einer Wahlparty der Wilders-Partei in Den Haag herrschte nach Veröffentlichung der Nachwahlbefragungs-Ergebnisse betretene Stille. Noch für den Abend wurde mit einer Stellungnahme von Wilders gerechnet. Seine Parteifreunde wollten sich zunächst nicht äußern. Wilders’ Partei waren im Vorfeld der Wahl sogar Chancen auf den Sieg in den Niederlanden zugesprochen worden. Wahlexperten hatten allerdings auch mit einer höheren Mobilisierung proeuropäisch gesinnter Wähler und einer gewissen Apathie unter PVV-Anhängern gerechnet.

Auch Briten haben schon gewählt

In Großbritannien, wo am Donnerstag ebenfalls gewählt wurde, rechneten Demoskopen mit deutlichen Gewinnen für die rechtsgerichtete UKIP, die vor allem mit einem EU-Austritt und dem Thema Zuwanderung Stimmung gemacht hat. In dem traditionell europakritischen Land könnten die Rechtspopulisten ganz vorne liegen. Letzte Umfragen vor der Wahl sahen die UKIP mit ihrem Vorsitzenden Nigel Farage mit bis zu 30 Prozent als stärkste politische Kraft. Die Briten bestimmten 73 der 751 EU-Abgeordneten. Prognosen wurden am Abend nicht bekanntgegeben. Ergebnisse werden erst am Sonntagabend erwartet.

Bei den Wahlen in den 28 EU-Ländern sind bis einschließlich Sonntag 400 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. Das Gros der Unionsbürger wird erst an diesem Tag abstimmen.

Erste EU-weite Prognosen werden am Sonntagabend von 22.00 Uhr an erwartet, Hochrechnungen und offizielle Ergebnisse erst nach Schließung der letzten Wahllokale um 23.00 Uhr in Italien. Die Spitzenkandidaten und Anwärter für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten werden sich voraussichtlich erst danach äußern. In Europa herrscht Sorge vor einem Erstarken rechtsextremer, populistischer und euroskeptischer Parteien.

Nach den Niederländern und den Briten sind am Freitag die Iren und Tschechen als nächstes bei der Europawahl an der Reihe. In Tschechien dürfte Umfragen zufolge die neue Bewegung ANO des Großunternehmers Andrej Babis ihren Höhenflug fortsetzen. Die Protestpartei liegt demnach als stärkste Kraft knapp vor ihrem Regierungspartner, den Sozialdemokraten (CSSD). In Irland rechneten Demoskopen mit einem starken Abschneiden der linksgerichteten Sinn-Fein-Partei des ehemaligen IRA-Mannes Gerry Adams. Die Iren nutzten EU-Abstimmungen schon öfter zum Protest gegen die Regierungspolitik in Dublin.