Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis will sich im Europaparlament für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit stark machen. Als Spitzenkandidat der Bewegung Demokratie in Europa setzt er auf die Wähler in Deutschland.

Berlin - Yanis Varoufakis hat ein ehrgeiziges Ziel. Der frühere Finanzminister von Griechenland will ins EU-Parlament einziehen. Er tritt allerdings nicht in Griechenland an, sondern in Deutschland – als Spitzenkandidat der internationalen Bewegung Demokratie in Europa 2025 – kurz Diem 25 – die bei der Europawahl am 26. Mai in insgesamt elf Ländern zur Wahl steht. „Wir wollen den Mythos beenden, dass es zwischen dem Süden und Norden einen Bruch gibt, und das schafft man am besten mit einer transnationalen Partei“, sagt der 58-Jährige, der prominenteste Bewerber der 2016 von ihm mitgegründeten Bewegung. In Griechenland ist ein Deutscher Spitzenkandidat.

 

Wegen der dramatischen wirtschaftlichen Lage hatte der Wirtschaftsprofessor 2015 von der Wissenschaft in die Politik gewechselt und für das Linksbündnis Syriza kandidiert, um „kritisches Denken in direkte politische Aktion zu verwandeln“. Während seiner fünfmonatigen Amtszeit als Finanzminister stritt Varoufakis erbittert mit seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) um Finanzhilfen für sein hoch verschuldetes Land. Warum tritt er jetzt, 2019, nicht als Kandidat der Linken an, deren Ziele er doch weitgehend teilt? Das sei eine gute Frage, sagt er. Natürlich habe er mit ihnen gesprochen, und auch mit Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen. „Das Problem ist, dass die traditionellen Parteien nationale Programme aufgestellt haben, weil sie befürchten, dass sie anders ihre Wähler nicht erreichen.“

Anleihen für den Klimaschutz

Aus seiner Sicht ist das eine falsche Strategie. „Wir brauchen eine politische und wirtschaftliche Agenda, die für alle EU-Staaten gilt. Denn wir haben eine EU-Krise, keine Griechenland-, Italien- oder Deutschlandkrise“, sagt Varoufakis. Die gewaltigen Herausforderungen der Gegenwart wie Klimawandel, Digitalisierung und Migration könnten nur gemeinsam von den EU-Staaten gelöst werden. „Soziale Gerechtigkeit und ökologischer Wandel können nicht voneinander getrennt werden“, sagt Varoufakis.

Sein Vorschlag: Die Europäische Investitionsbank solle in den nächsten fünf Jahren ein Anleiheprogramm auflegen – in Höhe von 500 Milliarden Euro pro Jahr. „Dieses Geld wird in grüne Infrastrukturprojekte investiert, um die ökologische Transformation Europas zu beschleunigen und Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen zu schaffen“, schlägt er vor. Damit könne sofort begonnen werden, ohne Steuererhöhung. „Es gibt in Deutschland so viel Geld wie nie zuvor, aber es wird viel zu wenig investiert.“ Deshalb bestehe die Gefahr, dass Deutschland und Europa technologisch hinter den USA und China zurückfielen. Um Anreize zu schaffen, müsse die Europäische Zentralbank (EZB) die Anleihen absichern, indem sie erkläre, dass sie die Papiere notfalls aufkaufe.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Armutsbekämpfung. „Als Bundesbank, die allen Europäern gehört, sollte die EZB nicht auf Gewinne ausgerichtet sein“, meint Varoufakis. Da sie aktuell große Zinsgewinne mache, sollten diese Gewinne allen Europäern zugute kommen – durch einen Anti-Armut-Fonds mit jährlich 100 Milliarden Euro, aus dem Bedürftige in ganz Europa direkt Geld erhalten könnten. „Damit würde ein europäisches Gemeinschaftsgefühl entstehen, das bisher fehlt.“

41 Parteien treten in Deutschland an

Um für seine Ideen und seine Bewegung zu werben, reist Varoufakis durch Europa. In größeren Städten kommen oft Hunderte, aber bundesweit Beachtung zu finden, ist nicht leicht. Allein in Deutschland buhlen 41 Parteien und Gruppierungen um die Gunst der Wähler, 16 mehr als 2014. 2011 hatte das Bundesverfassungsgericht die Fünfprozent-Klausel für verfassungswidrig erklärt, 2014 auch eine Drei-Prozent-Hürde, weil sie kleine Parteien benachteilige. Vor fünf Jahren reichte für einen der 96 Sitze wegen des besonderen Auszählungsverfahrens bereits ein Stimmenanteil von etwas mehr als 0,5 Prozent der Stimmen.