Die Europawahl hat auch im Kreis Ludwigsburg zu einem politischen Erdrutsch geführt. Die CDU fällt unter 30 Prozent, die Grünen liegen bei 23 Prozent – und die SPD bei 14 Prozent. Reaktionen und Analysen dazu.

Ludwigsburg - Die ersten Ergebnisse aus dem Landkreis für die Europawahl kommen um kurz vor 20 Uhr aus den kleinen Kommunen; Erligheim hat als erste ausgezählt. Die ersten Zahlen mit insgesamt fünf ausgezählten Kommunen entsprechen erstaunlich genau dem Ergebnis, das zu diesem Zeitpunkt für ganz Deutschland vorliegt: Die CDU verliert gut sieben Prozent und liegt knapp an der 30-Prozent-Marke, die SPD halbiert ihr Ergebnis auf 14 Prozent. Die Grünen sind der klare Wahlsieger: Mit fast 22 Prozent erreichen sie fast doppelt so viel wie 2014. Die FDP und die AfD legen leicht zu.

 

Wie reagieren die örtlichen Vertreter der Parteien auf diesen Erdrutsch? Der in Gerlingen wohnende Europaabgeordnete Rainer Wieland, zugleich Spitzenkandidat der CDU im Land, hofft darauf, dass die Union weiterhin sechs Europaabgeordnete aus Baden-Württemberg stellt. „Das Ergebnis ist nicht berauschend, wir sind aber klar stärkste Kraft geworden“, erklärt er. Es werde eine lange Nacht, bis feststehe, wie viele Kandidaten aus dem Land es nach Brüssel schaffen.

CDU-Abgeordneter Wieland ist überraschend

Als Ursache für die Verluste der CDU und die Gewinne der Grünen hat Wieland die Debatte um Urheberrechte nach Artikel 13 ausgemacht: „Ich habe dazu fast 20 000 Mails erhalten, habe aber meine klare Position beibehalten, dass wir das geistige Eigentum schützen müssen.“

Der Ludwigsburger Grünen-Abgeordnete Jürgen Walter ist nahezu euphorisch: „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Es zeichnet sich ab, dass die jungen Menschen sich eine andere Politik wünschen, die mehr auf den Klimaschutz setzt.“ Mit diesen Gewinnen für die Grünen in Baden-Württemberg habe er nicht in dem Maße gerechnet. In Stuttgart etwa sei massiv Stimmung gegen die Grünen gemacht worden: „Das ganze Gehetze hat der CDU nichts gebracht.“ Für Ludwigsburg hofft Walter auf eine „andere Mehrheit jenseits der Parkplatz-Fraktion“, sodass man Ludwigsburg endlich zu einer urbanen Stadt machen könne.

Die SPD trägt es mit Fassung

Relativ gefasst ist der SPD-Kreisvorsitzende Macit Karaahmetoglu: „Natürlich ist das ein ärgerliches Ergebnis für uns, keine Frage. Es ist im Moment eben so, dass die Volksparteien eine schlechte Phase haben und die Grünen als modern gelten.“ Einen Rücktritt von Parteichefin Andrea Nahles lehnt er ab: „Wir haben in den vergangenen Jahren viele Wechsel an der Spitze gehabt, von Gabriel zu Schulz zu Nahles. Ich bin mir nicht sicher, dass die Probleme mit der Vorsitzenden zusammenhängen.“ Für die Kreistagswahl hat Karaahmetoglu die Hoffnung, dass die SPD mindestens so stark werde wie 2014.

Stefanie Knecht, die Vorsitzende der FDP im Kreis Ludwigsburg, bewertet das Abschneiden ihrer Partei mit gemischten Gefühlen. „Bundesweit ist das Ergebnis schon enttäuschend“, sagt sie. Zufrieden ist sie hingegen mit dem Resultat im Land. „Da liegen wir über dem Trend. Das ist erfreulich für uns“, sagt Knecht. Die FDP habe den Umweltschutz als Thema nicht verschlafen: „Wenn, dann wurde es von der Wirtschaft verschlafen. Wir müssen dahin kommen, auf diesem Feld Weltmarktführer zu werden.“

Die AfD hätte sich mehr erhofft

Der Ludwigsburger AfD-Kreisvorsitzende Michael Mayer sagt: „Das bundesweite Ergebnis der AfD ist im Rahmen der Erwartungen.“ Sicherlich habe der FPÖ-Skandal in Österreich die AfD zwei bis drei Prozent gekostet, aber mit dem zweistelligen Ergebnis könne die Partei zufrieden sein. Mit elf Prozent der Stimmen hat die Partei im Landkreis leicht zugelegt.

Der Linken-Fraktionschef im Kreistag, Hans-Jürgen Kemmerle, ist ernüchtert: „Ich hätte mir mehr gewünscht. Das ist sicher kein Ergebnis, mit dem die Welt untergeht – aber eines, bei dem wir überlegen müssen, warum wir in so einer Situation nicht zulegen.“

In Mundelsheim ist die CDU noch stark

Einige Besonderheiten stechen aus dem Europawahlergebnis im Kreis heraus: In Mundelsheim ist die Welt für die CDU noch in Ordnung: Mit 38,1 Prozent holt sie dort ein respektables Resultat, die SPD liegt bei elf Prozent – die Kommune bleibt eine schwarze Hochburg. In Hessigheim ist die SPD mit 9,6 Prozent nur noch einstellig. In diesen beiden Gemeinden ist die Wahlbeteiligung mit 73,3 Prozent übrigens auch kreisweit am höchsten. Die Grünen haben selbst in kleinen Kommunen wie Besigheim (25 Prozent) und Freudental (23 Prozent) gute Ergebnisse. Die Wahlbeteiligung lag bei Redaktionsschluss um 21.15 Uhr bei 69,3 Prozent.