Die Generalsekretärin der SPD, Yasmin Fahimi, wirft der Union Populismus vor. Mit ihren Attacken gegen die sozialdemokratischen Politiker Schulz und Steinmeier spiele die Union den Rechten in die Hände.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Am 26. Januar dieses Jahres wurde Yasmin Fahimi, die sechzehn Jahre in der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie gearbeitet hatte, zur neuen Generalsekretärin der SPD gewählt. „Es war für mich kein Schockerlebnis“, sagt die 46-Jährige nach gut vier Monaten im neuen Amt über ihren Wechsel aus der – wie sie selbst sagt - „geregelten, gut eingespielten und hierarchischen“ Welt der Gewerkschaften in die Welt der Politik. Hier sei viel weniger geregelt, vor allem aber: viel stärker als in einer Gewerkschaft müssten Parteiführer „raus zu den Menschen und um sie werben“.

 

Fahimi ist mitten in ihrem ersten Wahlkampf, doch das Werben für die europäische Sache ist mühsam, wie sie bei einem Reaktionsgespräch mit der Stuttgarter Zeitung einräumt. „Das Interesse ist enttäuschend“, sagt sie. Zu stark sei die Debatte über Europa in den letzten Jahren vom Geld dominiert gewesen. „Die Grundidee einer Friedens- und Wohlstandsgemeinschaft ist abgesoffen.“

Müsste die SPD in dieser Situation nicht der CSU dankbar sein, dass sie mit scharfen Attacken gegen den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Martin Schulz und Außenminister Frank-Walter Steinmeier den bisher trägen Europawahlkampf anheizt? Fahimi weist dies scharf zurück. Die Kritik an Schulz, der indirekt als vaterlandsloser Geselle beschimpft wurde, sei „widerlich“. Die Vorhaltungen gegen Steinmeier, dem Versagen in der Ukraine-Krise vorgeworfen wird, seien inakzeptabel: „Aus billigen Wahlkampfgründen in einer hochgefährlichen Situation solche Polemik loszulassen, das ist unverantwortlich.“ Die CSU versuche „ein rechtspopulistisches Wahlkampfmanöver“. Aber das werde am Ende nicht ihr, sondern nur den rechten Kräften helfen.

Die SPD will jetzt keine große Steuerdiskussion

Es ist ein eher seltener Schlagabtausch mit der Union, der hier stattfindet. Ansonsten zeigt sich die SPD und mit ihr deren Generalsekretärin stark interessiert, die große Koalition in Berlin harmonisch zu führen. Gemeinsam setze man nicht nur den Unionswunsch nach einer Mütterrente um, sondern auch das Projekt der abschlagsfreien Rente mit 63. Sie sei „zuversichtlich, dass wir am Ende ein verfassungskonformes Gesetz haben“, sagt Fahimi. Warnungen vor einem starken Absinken des Rentenniveaus und einer Frühverrentungswelle zeichneten eine „Dramatik, die ich nicht nachvollziehen kann“. Fast neunzig Prozent der Bürger wollten das Rentenpaket der Koalition, der Widerspruch sei nur vereinzelt: „Da läuft ein Kampagne, die offensichtlich bestimmte Einzelinteressen bedient.“ Welche denn? „Die der Wirtschaft.“

Auch in der Steuerpolitik will sich die SPD koalitionstreu verhalten. „Im Moment gibt es überhaupt keinen Grund, eine große, umfassende Steuerdebatte zu führen“, erklärt Fahimi. In der großen Koalition sei verabredet, sich gemeinsam um die Haushaltskonsolidierung zu kümmern und die Kommunen zu entlasten. „Dabei bleibt es natürlich auch.“

Aber waren einige Wortmeldungen von SPD-Chef Sigmar Gabriel nicht so zu deuten, dass die Sozialdemokraten grundsätzlich ihren Kurs ändern und von Steuererhöhungen nichts mehr wissen wollen? „Unser Wunsch, das eine oder andere Projekt der sozialen Gerechtigkeit auch über höhere Steuern für Spitzenverdiener zu finanzieren, hat in den Koalitionsverhandlungen ein absolutes Nein der Union erfahren“, sagt die Generalsekretärin. „Wir sind nicht diejenigen, die das in der laufenden Legislaturperiode in Frage stellen.“

Das Einzige, was derzeit zu diskutieren wäre, sei im Rahmen der Debatte über die sogenannte kalte Progression – also das ungünstige Zusammenspiel von Steuersätzen und Inflation im aktuellen Steuerrecht. Da könne geschaut werden, ob eine Entlastung der Normalverdiener realisierbar sei, „sofern eine Gegenfinanzierung im Rahmen der derzeitigen Steuereinnahmen möglich ist“. Über ihr steuerpolitisches Grundsatzkonzept werde die SPD erst „zum nächsten Regierungsprogramm entscheiden“.

Fahimi plant eine „Nachbarschaftskampagne“

Ihre Aufgabe als Generalsekretärin sieht Fahimi darin, ihre Partei „über die große Koalition hinaus“ so aufzustellen, dass sie im Wahlkampf 2017 glaubhaft für eine SPD-geführte Bundesregierung eintreten könne. So plant sie eine „Nachbarschaftskampagne“, um die SPD vor Ort wieder fester zu verankern. Aber hat die SPD nicht versäumt, zunächst einmal innezuhalten und sich zu fragen, warum sie in der letzten Bundestagswahl das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte geholt hat? Fahimi zuckt mit den Schultern: Leider sei „Politik nicht immer so, dass man viel Zeit hat zum Innehalten“.