Seit 40 Jahren versucht das Europazentrum Baden-Württemberg, den Bürgern den europäischen Gedanken näher zu bringen. Zum Jubiläum warnen prominente Gäste davor, aus den jüngsten Wahlniederlagen populistischer Europagegner die falschen Schlüsse zu ziehen.

Stuttgart - Was muss Europa tun, um die Bürger wieder für sich zu begeistern? Diese Frage stand am Mittwochabend beim Rathausempfang aus Anlass des 40-jährigen Bestehens des Europazentrums Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart im Mittelpunkt. Die Bildungseinrichtung, die erst kürzlich aus der Nadlerstraße in die Kronprinzstraße 13 umgezogen ist, versteht es als ihren Auftrag, die Strukturen der EU ebenso zu vermitteln wie die Vielfalt, aber auch die Gemeinsamkeiten der europäischen Nationen. „Europa ist kein Hobbyklub, sondern die Grundlage des Lebens auf unserem Kontinent“, sagte Martin Kilgus, Vorstandsvorsitzender des Zentrums, in seiner Begrüßung.

 

OB Kuhn für gemeinsamen EU-Haushalt

Gleich in mehreren Redebeiträgen klang die Erleichterung über den Ausgang der Wahlen in Frankreich und in den Niederlanden an, bei denen populistische Europagegner – und kritiker das Nachsehen gehabt hatten. Doch darauf dürfe man sich nicht ausruhen. Europa sei durchaus optimierungs- und reformbedürftig, betonten sowohl OB Fritz Kuhn (Grüne) als auch der für Europaangelegenheiten zuständige Landesminister Guido Wolf (CDU) in ihren Ansprachen. Kuhn nutzte die Gelegenheit, für einen gemeinsamen europäischen Haushalt zu plädieren, wie ihn auch der neue französische Präsident Emmanuel Macron und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz befürworten. Der OB hob zudem die Bedeutung das „Friedensprojekts“ Europa hervor. Europa sei aber gerade für junge Menschen vor allem eine Werte- und Kulturgemeinschaft, so Kuhn. Angesichts der Skepsis gegenüber Reformen der EU im Berliner Kanzleramt mahnte der OB: „Europa kommt nicht weiter, wenn sich alle nach Deutschland richten sollen.“ Guido Wolf rief dazu auf, für Europa zu kämpfen und die Menschen zu begeistern. 2017 sei „ein Schicksalsjahr“ für die EU: „Ein bloßes ,weiter so’ darf es nicht geben.“

Die Leiterin des Europazentrums im kroatischen Vukovar, Lana Mayer, berichtete von ihrer Arbeit in der im jugoslawischen Bürgerkrieg Mitte der 1990er Jahre weitgehend zerstörten Stadt. Dort steht insbesondere die Friedens- und Versöhnungsarbeit im Mittelpunkt. Zum Abschluss des Festakts spielte das Orchester der Kulturen die Europahymne, und am späten Abend überbrachte dann der eigens eingeflogene EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) die Glückwünsche der EU-Kommission zum Jubiläum.