Er muss es wieder richten: Stefan Raab soll dafür sorgen, dass Deutschland beim ESC wieder mal vorne landet. Mit Stuttgarter Hilfe.
Koray Cinar kommt gut erholt nach Köln. Etwas müde allerdings. War doch die eine Hälfte des Stuttgarter Pop-Duos Parallel die letzten Wochen in Peru unterwegs. Weit weg von den Aufregungen der Heimat. Bundestagswahl, Dschungelcamp, was das Land halt so bewegt dieser Tage. Und nicht zu vergessen, Stefan Raab will den deutschen Pop und den deutschen Ruf retten. Unter dem Titel: „Chefsache ESC 2025 – Wer singt für Deutschland?“
Das zeigt schon, es ist eine ernste Sache, der Chef muss persönlich ran. Und um diese Schicksalsfrage zu beantworten, haben sich auch noch die ARD und RTL zusammengespannt. Am Freitag und Samstag findet jeweils zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr bei RTL der Vorentscheid statt. Oder besser gesagt die Vorrunde des Vorentscheids, denn wenn der Chef schon wieder die Sache in die Hand nimmt, dann muss man das schon auch chefmäßig ausdehnen, um chefmäßig zu verdienen. Also gibt es am Samstag, 22. Februar, das Halbfinale bei RTL, am Samstag, 1. März 2025, bei der ARD das Finale. 3281 Bewerbungen gab es, 24 wurden ausgewählt. Unter den zwei Dutzend, die zum Eurovision Song Contest nach Basel wollen, sind auch Teilnehmer aus Stuttgart. Parallel, also Koray Cinar und Francesco Caruso, sowie Vincent Varus. Die drei treten am Samstag gegeneinander an. Wie das Trio auch erst seit kurzem weiß.
Psst! Zuviel darf man nicht erzählen
Bei all diesen Shows ist es ja üblich, die Teilnehmer zur Geheimhaltung zu verpflichten. Anderswo sind die Klauseln und Sprechverbote zahllos. Beim ESC hält sich das immerhin in Grenzen, so dürfen die Teilnehmer nicht erzählen, welche Lieder sie singen. dass soll das Publikum dann doch überraschen. Caruso und Cinar erreichen wir im Hotelzimmer in Köln. Dort seien all jene Teilnehmer untergebracht, die weiter weg sind von zu Hause. Dort gibt man Interviews, muss zu Fotoshootings und wartet auf die Studioproben und den Auftritt am Samstag. Wo sie von den Heavytone begleitet werden, der Studioband von Raab. „Ich habe immer ,TV Total’ geschaut, weil ich die Heavytone liebe“, sagt Caruso.
Im Cabrio zu Corona-Zeiten
Nun sind sie keine heurigen Hasen, habe schon viele Auftritte hinter sich. Manche denkwürdige vor allem während der Pandemie. Wer mal bei sich in der Nähe ein Cabrio parken hatte, aus dem heraus ein Konzert gegeben wurde, der hat Parallel schon gehört. Damit haben sie versucht, sich selbst und ihren Mitmenschen die Corona-Zeit erträglicher zu machen.
Musik haben sie tatsächlich schon immer gemacht. Mit fünf hämmerte Cinar erstmals aufs Schlagzeug, mit vier sang Caruso für seinen Onkel bei dessen Hochzeit. Gut, mit dem Nachnamen, was soll man auch sonst machen? Sie musizierten auf der Straße, coverten Songs, schrieben selber welche. Nun stehen sie zwar auf einer kleinen Bühne vor ein paar hundert Zuhörern. Aber Deutschland schaut zu, wenn der Chef ruft, schalten Millionen ein. „Wir versuchen das zu genießen“, sagt Cimar, „und Spaß zu haben.“ Kameras und Jury ausblenden. Zu der neben Raab, Yvonne Catterfeld, Elton und Max Mutzke auch der von ihnen verehrte Johannes Oerding gehört. Und dann schauen, unter die besten 14 zu kommen und beim Halbfinale dabei zu sein.
Für Vincent Varus musst es schnell gehen
Das will auch Vincent Varus. Anders als Parallel singt er zumeist auf Englisch. Aufgewachsen in Offenburg zog er 2017 für sein Studium an der Hochschule der Medien nach Stuttgart. Mittlerweile wohnt er in Fellbach. Zwei EPs hat er veröffentlicht, beim Kessel Festival hat er erstmals richtig für Aufsehen und Aufhorchen gesorgt. Als Gewinner des Newcomer Contests durfte er im Mai 2024 die Hauptbühne eröffnen.
Über eine Bekannte habe er vom ESC-Vorentscheid erfahren und sich beworben. Mit einem Song und einem Video, in dem er sich vorstellt. Ziemlich zügig und „unerwartet“ kam die Antwort. Um 21 Uhr folgte der Anruf, „nächste Woche ist in Köln das Casting“. Samstagabends trat er noch im Club Cann auf, fuhr dann noch in der Nacht nach Köln. Und machte offenbar Eindruck. Auch weil er mit seinem „funky englischen Pop“ ins Konzept passt. Der Chef besetzt sein Teilnehmerfeld natürlich so bewusst, dass es alle Genres und Vorlieben bedient. „Wir sind alle unterschiedlich“, hat Varus im Hotel in Köln beobachtet, „dass eliminiert jeden Konkurrenzgedanken“.
Besuch aus der Heimat
Wie die Kollegen aus Stuttgart will auch er versuchen, nicht zu lange über die Millionen am Fernseher zu denken und „meine Musik für den Raum zu singen“. Familie und Freunde kommen auch, im Idealfall sehen sie ihn schließlich die nächsten zwei Wochen nicht. Vincent Varus ist auf jeden Fall vorbereitet. Die Briefwahlunterlagen hat er sich ins Hotel nach Köln schicken lassen. Den künftigen Chef von Deutschland wählt er bereits, bevor er dem Chef vom ESC vorsingt.