Beim Eurovision Song Contest geht es um den Spaß an der Freude – aber auch um die Vermarktung eines der weltgrößten Medienevents.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Kaum zu glauben, aber wahr: der Grand Prix Eurovision de la Chanson wurde 1956 von der European Broadcasting Union (EBU) eigentlich nur deshalb ins Leben gerufen, um das Medium Fernsehen bekannter zu machen. Sieben Länder nahmen bei der Premiere des paneuropäischen Sängerwettstreits teil, drei weitere Länder - England, Dänemark und Österreich - hatten schlicht die Bewerbungsfrist verpasst. Bei der diesjährigen Auflage sind 43 Länder dabei, und dass irgendwer irgendwelche Fristen versäumen könnte, scheint völlig ausgeschlossen: Allein, weil es neben der kurzen Gelegenheit, sich den weltweit weit über hundert Millionen Fernsehzuschauern zu präsentieren, auch um viel Geld und Ansehen geht.

 

Am besten getroffen hat es da auf den ersten Blick Lena Meyer-Landrut. Ihrem Sieg 2010 in Oslo mit "Satellite" ist es überhaupt nur zu verdanken, dass der Song Contest nun in Deutschland über die Bühne geht. Sie ist berühmt und gewiss auch reich geworden, kann auf zwei kommerziell erfolgreiche Alben und eine soeben beendete Tournee durch die größten Konzerthallen Deutschlands zurückblicken. Und mit ihrer kessen, erfrischenden und charmanten Art hat sie hierzulande echte Euphorie ausgelöst.

Favorit ist Frankreich

Dass all das den Menschen im wahrsten Wortsinn irgendwann zu den Ohren herauskommen würde, war zwar zu erwarten. Schon die schwachen Quoten bei den zu epischer Breite ausgewalzten nationalen Vorentscheidungsshows mit ihr als Alleinunterhalterin lieferten Indizien, die Hallen bei der Tournee mussten durch üppig ausgegebene Freikarten aufgefüllt werden. Aber trotzdem hat sie sich wacker gehalten, und wenn sie über ihre neuerliche Teilnahme in ihrem typischen Idiom nun "Ich habe Bock dazu" sagt, nimmt man ihr das ab. Wer sich die 43 Teilnehmersongs anhört, darf auch sicher sein, dass Lena mit ihrem "Taken by a Stranger" erneut gut abschneiden wird. Die Buchmacher sehen sie auf Platz sechs, Favorit ist dort der Franzose Amaury Vassili. Denn laut einem ungeschriebenen Grand-Prix-Gesetz darf der Titelverteidiger nicht erneut gewinnen. Ausgeschlossen ist das aber nicht.

Stefan Raab darf man getrost ebenfalls schon vorab als großen Gewinner bezeichnen. Er hat sich mehr oder weniger zum Alleinherrscher des Wettbewerbs aufgeschwungen. Erst setzte der 44-jährige Entertainer durch, dass sein Schützling Lena erneut antritt, dann sicherte er sich und seinem Haussender Pro Sieben den nationalen Vorentscheid. Er schrieb mit Lena einige Songs für ihre Alben, die ebenso wie die Tour von seiner Produktionsfirma Brainpool vermarktet wurden. Und er wird gemeinsam mit Anke Engelke und Judith Rakers nun auch die drei Shows in Düsseldorf moderieren. Nach dem Finale von Düsseldorf kehrt Raab dann aber wieder in den Schoß von Pro Sieben zurück. Mit dem Sender hat er jüngst einen neuen Fünfjahresvertrag abgeschlossen, der laut dem "Manager-Magazin" seiner Produktionsfirma Raab TV rund 185 Millionen Euro einbringen wird.

Die Kosten des Contests

Während anderswo das Geld mit vollen Händen ausgegeben wird, muss die ARD den Spagat hinbekommen, einerseits die Erregung rund um den Song Contest zu befeuern und andererseits dem Vorwurf zu entgehen, Gebührengeldern zu verprassen. Als Arena wurde nach längerem Gerangel unter den Bewerberstädten auch daher das überdachte Düsseldorfer Fußballstadion gewählt, das 36.000 Livezuschauer fassen wird. Mehr waren es nur 2001 beim Kopenhagener Rekord-Grand-Prix. Die Einnahmen, neben Sponsoringeinkünften unter anderem aus den saftig teuren Tickets - die billigsten Finalkarten kosten knapp hundert Euro -, decken so zumindest einen Teil der Produktionskosten.

Etwas mehr als zwölf Millionen Euro bleiben der ARD trotzdem an Kosten - "eine Menge Geld", sagt der Unterhaltungschef Thomas Schreiber. Im Verhältnis zu den Summen, die für Sportübertragungen ausgegeben werden, ist das aber gewiss vertretbar. Immerhin dürfte auch ein wenig Glanz auf den Ausrichter abfallen. Das Finale des Song Contests wird in 55 Ländern übertragen - sogar in Australien und Neuseeland.

Alle Informationen im Internet unter www.eurovision.tv (offizielle Seite) und www.eurovision.de (Seite des NDR)

Der Entscheidungsmodus und das TV-Angebot

Halbfinals: Heute Abend um 21 Uhr steigt das erste Halbfinale. Darin werden aus 19 Teilnehmerländern die ersten zehn Finalisten ausgewählt. Am Donnerstag kämpfen dann weitere 19 Nationen um abermals zehn Finalplätze.

Finale: Es wird am Samstag von 21 Uhr an ausgetragen. Neben den 20 Halbfinalsiegern sind dafür die fünf größten Geldgeber des Spektakels - Frankreich, Spanien, England, Italien und Deutschland - automatisch qualifiziert.

Fernsehen: Das erste Halbfinale zeigt Pro Sieben, das zweite sowie das Finale die ARD. Die ARD bringt jeden Abend zudem ein Special um 18.50 Uhr, Pro Sieben hat gleich zwei tägliche Sendungen, um 16 Uhr und dann auf dem Sendeplatz von "TV Total" nach 22 Uhr.

Abstimmungen: Wer jeweils gewinnt, bestimmen zur Hälfte die Fernsehzuschauer und zur Hälfte Fachjurys in den einzelnen Ländern. Die deutschen Fernsehzuschauer sind heute nicht stimmberechtigt, sondern erst beim zweiten Halbfinale - und natürlich im Finale am Samstag.