Kultur: Tim Schleider (schl)

In Kopenhagen werden die Tolmachevy Sisters für Russland auftreten, angeblich ein echtes Zwillingspaar. Ihr Song „Shine“ ist sowohl vom Titel her als auch musikalisch ebenso unverfänglicher Feelgood-Pop wie der Beitrag „Tick-Tock“ der jungen ukrainischen Sängerin Maria Yaremchuk. Wenn die Künstlerinnen irgendeine Form von politischer Stellungnahme in ihrem auf jeweils exakt drei Minuten begrenzten Bühnenauftritt einbauen wollen, dann werden sie es sehr gut tarnen müssen. Man ahnt, wie genau die Chefs der Rundfunkunion und der nationalen TV-Gesellschaften ihnen selbst auf die lackierten Fingernägel blicken werden. Und erst recht werden sie darauf achten, dass die Künstlerinnen auch bei den Pressekonferenzen politisch neutral bleiben.

 

Interessanter wird es sein, bei den von offizieller Seite unkontrollierbaren Punktevergaben der europäischen TV-Zuschauer nach Sympathien und Antipathien zu suchen. Bisher war es Tradition, dass sich Russland und die Ukraine (wie überhaupt alle Osteuropäer) untereinander hohe Punktzahlen gaben. Die Teilnahme bei der Finalshow am Samstagabend war in früheren Jahren für beide Länder stets sicher, egal, was oder wie sie sangen. Die große Frage ist, was passiert, wenn der diesjährige ESC für die Tolmachevy Sisters oder für Maria Yaremchuk bereits im Halbfinale plötzlich beendet sein sollte oder gar für beide? Das wäre das große Politikum, das der Europäischen Rundfunkunion zweifellos die größten diplomatischen Probleme bereiten würde.

Es geht auch um politisches Prestige

Beim ESC geht es eben nicht nur um Show, sondern auch um politisches Prestige. Gleich der erste Wettbewerb 1956 in Lugano in der Schweiz – damals noch unter dem schönen Titel Grand Prix Eurovision de la Chanson – war keineswegs nur ein internationaler Sängerwettbewerb, sondern auch ein demonstratives Unterhaltungs-Schaufenster des Westens gegenüber dem Ostblock. Nach dem Fall der Mauern entwickelte sich der ESC zum Pop-Superwettbewerb. Immer mehr Länder drängten ins Finale. Außer dem Vatikan wollte schon jeder europäische Staat hier sein Glück versuchen.

Denn wer das Glück hat, bei der Abstimmung zum Schluss den ersten Platz zu erringen, bekommt als Gastgeber des nächsten Song Contest die Chance, sich der ganzen Welt als aufstrebende, moderne Nation zu präsentieren. Die Kleinstaaten Estland und Lettland haben dies 2002 und 2003 glänzend genutzt. Die Ukraine zeigte sich im Frühjahr 2005 ganz im Rausch der damaligen „Orangenen Revolution“. Kein ESC, berichten die Fans, war jemals so pompös ausgerichtet wie jener 2009 in Moskau. Und unvergessen auch die große Gala 2012 in Baku, in dessen Showteil sich der Schwiegersohn des Präsidenten von Aserbaidschan als internationaler Popstar im Stil eines kaukasischen Robbie Williams präsentieren durfte.

Unverfänglicher Feelgood-Pop von beiden Seiten

In Kopenhagen werden die Tolmachevy Sisters für Russland auftreten, angeblich ein echtes Zwillingspaar. Ihr Song „Shine“ ist sowohl vom Titel her als auch musikalisch ebenso unverfänglicher Feelgood-Pop wie der Beitrag „Tick-Tock“ der jungen ukrainischen Sängerin Maria Yaremchuk. Wenn die Künstlerinnen irgendeine Form von politischer Stellungnahme in ihrem auf jeweils exakt drei Minuten begrenzten Bühnenauftritt einbauen wollen, dann werden sie es sehr gut tarnen müssen. Man ahnt, wie genau die Chefs der Rundfunkunion und der nationalen TV-Gesellschaften ihnen selbst auf die lackierten Fingernägel blicken werden. Und erst recht werden sie darauf achten, dass die Künstlerinnen auch bei den Pressekonferenzen politisch neutral bleiben.

Interessanter wird es sein, bei den von offizieller Seite unkontrollierbaren Punktevergaben der europäischen TV-Zuschauer nach Sympathien und Antipathien zu suchen. Bisher war es Tradition, dass sich Russland und die Ukraine (wie überhaupt alle Osteuropäer) untereinander hohe Punktzahlen gaben. Die Teilnahme bei der Finalshow am Samstagabend war in früheren Jahren für beide Länder stets sicher, egal, was oder wie sie sangen. Die große Frage ist, was passiert, wenn der diesjährige ESC für die Tolmachevy Sisters oder für Maria Yaremchuk bereits im Halbfinale plötzlich beendet sein sollte oder gar für beide? Das wäre das große Politikum, das der Europäischen Rundfunkunion zweifellos die größten diplomatischen Probleme bereiten würde.

Es geht auch um politisches Prestige

Beim ESC geht es eben nicht nur um Show, sondern auch um politisches Prestige. Gleich der erste Wettbewerb 1956 in Lugano in der Schweiz – damals noch unter dem schönen Titel Grand Prix Eurovision de la Chanson – war keineswegs nur ein internationaler Sängerwettbewerb, sondern auch ein demonstratives Unterhaltungs-Schaufenster des Westens gegenüber dem Ostblock. Nach dem Fall der Mauern entwickelte sich der ESC zum Pop-Superwettbewerb. Immer mehr Länder drängten ins Finale. Außer dem Vatikan wollte schon jeder europäische Staat hier sein Glück versuchen.

Denn wer das Glück hat, bei der Abstimmung zum Schluss den ersten Platz zu erringen, bekommt als Gastgeber des nächsten Song Contest die Chance, sich der ganzen Welt als aufstrebende, moderne Nation zu präsentieren. Die Kleinstaaten Estland und Lettland haben dies 2002 und 2003 glänzend genutzt. Die Ukraine zeigte sich im Frühjahr 2005 ganz im Rausch der damaligen „Orangenen Revolution“. Kein ESC, berichten die Fans, war jemals so pompös ausgerichtet wie jener 2009 in Moskau. Und unvergessen auch die große Gala 2012 in Baku, in dessen Showteil sich der Schwiegersohn des Präsidenten von Aserbaidschan als internationaler Popstar im Stil eines kaukasischen Robbie Williams präsentieren durfte.

Ob und wie sich in diesem Jahr die katastrophale politische Stimmung in Europa auf die bunte ESC-Party auswirken wird, wird diese Woche zeigen. International, entspannt und multikulturell – so ist nun mal das knapp 60-jährige Image des Grand Prix in aller Welt. Das können eben nicht alle Mächtigen dieser Welt gut aushalten.

Politischen Ärger gibt es dieses Jahr auch wieder aus Weißrussland, der letzten lupenreinen Diktatur des Kontinents. Das dortige Fernsehen droht, die ESC-Liveübertragung beim Auftritt des österreichischen Kandidaten Conchita Wurst zu unterbrechen. Die Kinder des Landes würden durch die Performance des jungen (und bildschönen) Wiener Transvestiten in ihrer Moral gefährdet. Aber auch hier hat die EBU inzwischen Grenzen gezogen: Entweder überträgt Minsk die ganze Show – oder bleibt mit seinem Sänger Teo gleich ganz daheim.