"Europas Ende", "Euro-Homos schmort in der Hölle" - ultranationale und homosexuellenfeindliche Politiker überschütten die ESC-Gewinnerin Conchita Wurst mit Hass und Häme.

"Europas Ende", "Euro-Homos schmort in der Hölle" - ultranationale und homosexuellenfeindliche Politiker überschütten die ESC-Gewinnerin Conchita Wurst mit Hass und Häme.

 

Moskau - Mit einem geteilten Echo aus Häme und Humor haben russische Medien auf Österreichs Sieg mit Dragqueen Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest reagiert. Der Auftritt sei eine „Komödie“, aber auch eine „Ansage an die Feinde der Toleranz“, meinte die kremltreue Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“ am Montag. Ein „Zirkus mit einer bärtigen Frau“, schrieb das regierungsnahe Blatt „Iswestija“. Die russischen Zuschauer hätten allerdings Conchita bei ihrer Abstimmung immerhin auf den dritten Platz gesetzt. „Sie haben also Humor, Toleranz und die Zuversicht geäußert, zur europäischen Zivilisation zu gehören“, schrieb das Blatt.

Einzelne prominente russische Politiker und die russisch-orthodoxe Kirche hingegen äußerten sich voller Abscheu. „Das ist Europas Ende!“, wetterte der Ultranationalist Wladimir Schirinowski in einer Sendung des Staatsfernsehens. Europa habe „Durchfall mit Blut und Schaum“. „Sie haben schon keine Männer und Frauen mehr. Bei ihnen gibt es nur noch „Es““, schimpfte der Parlamentsabgeordnete.

Der Kirchenfunktionär Wladimir Legojda bezeichnete den Sieg als „noch einen Schritt bei der Abkehr von der christlichen Identität der europäischen Kultur“. Solche kulturellen Auswüchse seien deshalb besonders gefährlich, weil sie oft Vorläufer der politischen und juristischen Regeln einer Gesellschaft seien.

"Euro-Homos schmort in der Hölle"

Der als Initiator des international umstrittenen Anti-Homosexuellen-Gesetzes bekannte Kommunalpolitiker Witali Milonow in St. Petersburg kritisierte, dass Russlands Tolmatschewy-Zwillinge ausgebuht worden seien in Kopenhagen. „Die Dänen haben sich als Schweine erwiesen. Ein solches Pfeifen während unsere Künstler auftreten - ein Zeichen echter Degradierung. Euro-Homos schmort in der Hölle“, twitterte der prominente Politiker.

Russlands Pop-Papst Filipp Kirkorow warf Milonow „Volksverhetzung“ vor. Es sei unerhört, dass das Staatsfernsehen solche Parolen verbreite. Er rief dazu auf, Conchita Wursts Sieg zu achten. „Vielleicht sollten wir einmal darüber nachdenken, nicht auf so kategorische Weise auf einige sensible Dinge zu reagieren“, sagte er der Boulevardzeitung „Moskowski Komsomolez“. Es könne eine Herausforderung an Russland sein, sich mit anderen Werten und auch mit anderen sexuellen Orientierungen auseinanderzusetzen.

Die Zwillige Nastja und Mascha Tolmatschewy (bzw. Tolmatschjowy) reagierten gelassen auf die Buhrufe, die sie in der Nacht zum Sonntag in Dänemark ernteten. „Eine solche Reaktion im Saal war nicht sehr nett, aber sie hat uns nur noch stärker gemacht“, sagten die Schwestern der Zeitung „Moskowski Komsomelez“. Sie selbst hätten während des Wettbewerbs keine negativen Erfahrungen gemacht. „Russland ist ein großes Land - und alles wird gut bei uns.“

In Polen sagte der polnische Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski dem Sender TVN24: „In Europa tun sich beunruhigende Dinge, die seine Dekadenz zeigen. Und diesen Trend sollten wir ablehnen.“ Propaganda, die den Unterschied zwischen Mann und Frau verwische, führe „auf eine Bahn der völligen Zerstörung“, sagte er.

Unmut über Votum der deutschen Jury

Die Organisatoren des deutschen Grand-Prix-Votums verteidigten indes die schwache Jury-Bewertung für Wurst gegen Kritik. Österreicherin hatte aus Deutschland nur sieben Punkte bekommen, obwohl das Publikum ihr zwölf Punkte gab. Fast nirgends sonst lagen Jury und Zuschauer so weit auseinander, was in Sozialen Netzwerken viel Unmut auslöste. „Wenn der Sieg von Conchita Wurst als ein Zeichen der Toleranz in Europa betrachtet wird, ist es eine Selbstverständlichkeit, dem Urteil der „music industry professionals“ dieselbe Toleranz entgegenzubringen“, schrieb ESC-Teamchef und ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber am Montag.

In der vom NDR gekürten Jury saßen die Musiker Andreas Bourani („Auf uns“), Madeline Juno, Jennifer Weist (Jennifer Rostock), der Manager Konrad Sommermeyer sowie der Berliner Rapper Sido (Paul Würdig). Sido verteidigte sich bei Facebook: Es sei „eine reine Geschmacksfrage“, warum ihm die „Komposition und die Performance des Herren aus Österreich“ nicht gefallen habe. Er sah Wurst sogar nur auf Rang 13.