In dem bisher von Rebellen kontrollierten Osttteil der syrischen Stadt Aleppo haben die Evakuierungsmaßnahmen begonnen. Erste Konvois brachten hunderte Zivilisten, Verletzte und Rebellen aus der Stadt.

Aleppo - Mit einem Tag Verzögerung haben die Evakuierungsmaßnahmen aus der umkämpften nordsyrischen Metropole Aleppo begonnen. Erste Konvois aus Bussen und Krankenwagen brachten hunderte Zivilisten, Verletzte und Rebellen aus dem bisher von Rebellen kontrollierten Ostteil in ein von der Opposition besetztes Gebiet westlich der Stadt. Syriens Machthaber Baschar al-Assad verkündete die „Befreiung“ der einstigen Wirtschaftsmetropole.

 

Der erste Konvoi überquerte um 14.30 Uhr (13.30 Uhr MEZ) die Grenze zu einem von der Regierung kontrollierten Bezirk im Süden der Stadt. Militärkreisen zufolge befanden sich in den Fahrzeugen neben 108 Verletzten auch rund 200 Rebellenkämpfer.

Eine gute Stunde später erreichten sie das Oppositionsgebiet Chan al Aassal westlich von Aleppo, wie der Arzt Ahmad al-Dbis sagte, der ein Team von Ärzten und Freiwilligen leitet. Am Abend traf demnach ein zweiter Konvoi ein. Angeführt wurden die Konvois von Fahrzeugen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sowie des Syrischen Halbmonds.

Syrische Behörden garantierten Sicherheit für abzugsbereite Rebellen

Nach dem Scheitern einer Kampfpause und erster Evakuierungen am Mittwoch verkündeten das syrische und das russische Militär am Donnerstag eine erneute Einigung. Dem syrischen Staatsfernsehen zufolge sollen mindestens 4000 Rebellenkämpfer und ihre Familien aus Aleppo weggebracht werden.

Laut dem UN-Sondergesandten de Mistura sitzen immer noch rund 50.000 Menschen in Ost-Aleppo fest, darunter 40.000 Zivilisten sowie zwischen 1500 und 5000 Rebellen und ihre Familien. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, die syrischen Behörden garantierten die Sicherheit aller Rebellenkämpfer, die bereit seien, die Stadt zu verlassen. Demnach sollten die aufständischen Kämpfer in die Oppositionshochburg Idlib gebracht werden.

Der Chef der UN-Hilfsmission für Syrien, Jan Egeland, sagte in Genf, Russland und die anderen Konfliktparteien hätten versichert, „dass es eine Kampfpause gibt, wenn wir die Evakuierung unterstützen“. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte von Damaskus, Moskau und Teheran, sicherzustellen, dass UNO und das IKRK ihren „gerade in diesen Tagen unersetzlichen Beitrag“ uneingeschränkt und ungehindert leisten können. Dies sei am Donnerstag noch nicht der Fall gewesen. Die Menschen aus Ost-Aleppo bräuchten dringend Nahrung, sauberes Wasser sowie Schutz gegen die Kälte. Die humanitäre Hilfe stehe bereit, die Helfer seien vor Ort, sie „müssen nur ihre Arbeit tun können“. Der Bürgermeister des Ostteils von Aleppo forderte auf dem EU-Gipfel in Brüssel ebenfalls Unterstützung für die Bewohner der umkämpften Stadt. „Wir brauchen dringend eine Koalition, um das (syrische) Regime und die iranischen Milizen vor Ort zu zwingen, die Waffenruhe einzuhalten“, sagte Brita Hagi Hassan.

Waffenstillstand gefordert

Auf Drängen Frankreichs wird der UN-Sicherheitsrat am Freitag über die Lage in Syrien beraten. Paris dringt auf die Entsendung internationaler Beobachter, um die Evakuierungen und humanitäre Hilfslieferungen zu überwachen. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura forderte eindringlich einen Waffenstillstand und eine politische Lösung des Syrien-Kriegs. Ohne eine Einigung drohe die Rebellenhochburg Idlib zum „nächsten Aleppo“ zu werden.

Seit Beginn des Syrien-Kriegs wurden bereits über 310.000 Menschen getötet. Der Rückzug der Rebellen aus Ost-Aleppo und damit die erwartete vollständige Rückeroberung der Stadt ist für Assad der größte Sieg seit Beginn des Bürgerkriegs Kriegsbeginn.

Mitte November hatte die Regierung mit Unterstützung Russlands sowie schiitischer Milizen unter anderem aus dem Iran eine Großoffensive auf Aleppo gestartet und den Rebellen binnen eines Monats fast den gesamten Ostteil der Stadt entrissen. Der syrische Machthaber sagte in einem im Internet verbreiteten Video, Syrien habe damit „Geschichte geschrieben“.