Die Evangelische Akademie in Bad Boll hat einen Hamas-Funktionär zu einer Tagung eingeladen. Das hat eine Kontroverse ausgelöst.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)
Bad Boll - Noch ist unklar, ob Basem Naim überhaupt nach Deutschland einreisen darf. Das muss erst noch vom Auswärtigen Amt in Berlin geprüft werden. Allerdings wäre der Gesundheitsminister aus Gaza der erste hochrangige Hamas-Funktionär, der ein Einreisevisum erhält. Denn die Organisation wird von der Europäischen Union und den USA als terroristische Vereinigung geführt. Doch schon die Ankündigung, Naim nehme im Juni an einer Tagung der Evangelische Akademie in Bad Boll (Kreis Göppingen) teil, löste eine Kontroverse aus. "Es läuft eine regelrechte Kampagne gegen uns", sagt der Geschäftsführende Direktor der Akademie, Joachim Beck. Dabei wolle man doch nur Menschen miteinander ins Gespräch bringen. "Partner für den Frieden" hat die Akademie ihre diesjährige Nahostkonferenz überschrieben.

Die Veranstaltung wird von der Regierung nicht unterstützt


Neben Naim nehmen Abdallah Frangi als Vertreter der gemäßigten Fatah-Bewegung sowie der langjährige israelische Parlamentssprecher Avraham Burg teil. Er ist aber durch seine Bereitschaft zum Dialog mit der Hamas in Israel weitgehend isoliert. Die Titulierung eines Hamas-Vertreters als Friedenspartner hat zu heftigen Reaktionen geführt. "Eine Organisation, die glaubt, einer terroristischen Vereinigung eine Plattform zu bieten, hat nichts vom Konzept einer politischen Erziehung verstanden", zitiert die Zeitung "Jerusalem Post" den Sprecher des zionistischen Netzwerks Honestly Concerned, Sacha Stawski. Die Bundesregierung stellte bereits klar, dass die Veranstaltung keine finanzielle Unterstützung erhalte. Das in der Hoffnung auf einen Zuschuss voreilig von der Akademie auf die Einladungen gedruckte Logo der Bundeszentrale für politische Bildung muss wieder entfernt werden. "Die Hamas hat sich satzungsmäßig dem Ziel einer Vernichtung des Staates Israel verschrieben. Jede Förderung einer solchen Organisation scheidet deshalb von vornherein aus", heißt es in einer Stellungnahme des Innenministeriums.

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Berlin, der CDU-Politiker Johannes Gerster, forderte in einem Schreiben an den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), den rheinischen Präses Nikolaus Schneider, ein "klarstellendes Wort der EKD". "Nicht nur nach unserem Eindruck" solle mit der Veranstaltung "die Hamas hoffähig gemacht werden". Zwar habe auch er in Palästina mit der Hamas gesprochen, er habe ihr aber nie ein öffentliches Forum geboten. "Dass man mit solchen Aktionen die kompromissunfähigen Hamas-Leute eher ermuntert, den Kampf gegen Israel so lange fortzusetzen, bis der letzte Jude Palästina tot oder lebendig verlassen hat, stört die Veranstalter offenbar nicht", schreibt Gerster. Für den DIG-Präsidenten steht die Bad Boller Tagung in einer ganzen Reihe von Thesenpapieren und Veranstaltungen innerhalb der evangelischen Kirche, die "mit der erinnernden Wahrheit wenig und mit Propaganda gegen Israel sehr viel zu tun haben".

Viele Protestbriefe und Mails


Diese Kritik hat den württembergischen Landesbischof Otfried July aufgeschreckt. Die Landeskirche stehe fest zum Existenzrecht Israels. Trotzdem verteidigte sein Sprecher Christian Tsalos die Veranstaltung. "Eine Akademie hat die Aufgabe, eine Denkwerkstatt zu sein. Dafür braucht sie Freiheit." Man werde jedoch sicherstellen, dass die Tagung nicht missbraucht werde. Viele Protestbriefe und Mails haben auch die drei Bundestagsabgeordneten Rainer Arnold (SPD), Harald Leibrecht (FDP) und Michael Hennrich (CDU) erhalten. Trotzdem wollen sie weiterhin an der Veranstaltung teilnehmen. "Nur über den Dialog miteinander kann man Fortschritte in den Beziehungen zueinander entwickeln", sagte Leibrecht. "Je mehr Druck ausgeübt wird, desto konsequenter bin ich dabei", erklärte Arnold. Allerdings empfinde auch er die Tagung, bei der unter anderem der Oberbürgermeister von Jena von seiner Städtepartnerschaft mit Palästina berichtet und ein Chor arabische Lieder singt, als "unsäglich einseitig".

Bei einer ähnlichen Tagung in Bad Boll vor zwei Jahren sei eine ganze Hallenwand mit Forderungen an Israel voll gehangen. "Aber es gab kein einziges Blatt, auf dem stand, was man sich von den Palästinensern wünscht." Der Tagungsleiter Manfred Budzinski empfindet das anders. "Es ist wichtig, dass die Konfliktparteien an einen Tisch kommen", sagte er. Deshalb sei er froh, dass Naim "sehr spontan" zugesagt habe. In der Hamas gelte er als Vertreter des gemäßigten Flügels, der zwar nicht die Legitimität, aber wenigstens die Faktizität des Staates Israel anerkenne. Einen Vertreter des offiziellen Israels habe er gar nicht erst angefragt. "Es ist ja bekannt, dass die israelische Regierung nicht mit der Hamas spricht."