Die Martinskantorei singt Leonhard Völlms eigene Komposition „Wandel der Zeit“. Außerdem sind beim Adventskonzert zwei Werke von Beethoven zu hören.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Leonhard Völlm und Günther Wagner sind ein ungleiches Paar. Völlm ist gerade einmal 30 Jahre alt, ein studierter Kirchenmusiker und seit September 2014 der Kantor und Organist der evangelischen Kirchengemeinde Möhringen. Wagner ist mehr als 90 Jahre alt und hatte beruflich nie etwas mit Musik zu tun. Doch beiden liegt die Kunst am Herzen.

 

Wagner hat im Laufe seines Lebens viele Gedichte geschrieben. Für sich selbst, seine Familie und gute Freunde. In den Versen verarbeitete er das, was er erlebt hatte. Als Völlm noch an der Stiftskirche in Tübingen war, lernten sich die beiden kennen. Anke Bächtiger, die in der Stiftskantorei sang, vermittelte den Kontakt. Wagner wollte, dass jemand eines seiner Gedichte in Noten umsetzt. Völlm war zunächst skeptisch. „Ich war mir nicht sicher, ob das funktioniert“, sagt er. Schließlich sei der Altersunterschied enorm. „Doch Herr Wagner war so rührend. Er hat so eine volle Biografie, dass ich es versuchen wollte“, sagt Völlm. Zunächst habe er sich den ersten vier Zeilen des Gedichts gewidmet. Und dann merkten die beiden schnell, dass sie ein ähnliches Musikverständnis haben. „Wagner beschrieb mir, was ihn bewegt. Und ich las viele seiner Gedichte, um seinen philosophischen Hintergrund zu verstehen“, sagt Völlm. So habe sich schnell eine enge Zusammenarbeit entwickelt.

Zwei Werke von Beethoven

Das Ergebnis ist am Sonntag, 6. Dezember, in der Martinskirche zu hören. Es ist eine Uraufführung. Völlm hat sein Stück mit „Wandel der Zeit“ überschrieben. „Es ist ein Blick auf das schattenhafte Werden und Vergehen alles Irdischen im unaufhaltsamen Rhythmus der Zeit“, schreibt Völlm im Gemeindebrief. Es ist moderne Kirchenmusik. Für die Martinskantorei ist das Werk eine Herausforderung. „Ich habe dem Chor die Noten lang nicht gegeben“, sagt Völlm. Statt dessen habe er verschiedene Cluster als Einsingübung getarnt. „Als der Chor dann die Noten bekam, stellten die Mitglieder fest, dass sie die schwierigsten Passagen schon konnten“, sagt Völlm. Die Martinskantorei stehe dem Projekt sehr aufgeschlossen gegenüber. Den Sängern ist es wichtig, gefordert zu werden. Am Probenwochenende war auch Günther Wagner zu Gast. Und es waren die Tage der Attentate von Paris. „Wir haben gemeinsam die Bilder im Fernsehen gesehen. Die Anschläge verleihen dem Werk eine traurige Aktualität“, sagt Völlm.

Die Uraufführung ist aber nur ein Teil des Adventskonzertes. Zu hören sind außerdem die Coriolan-Ouvertüre und die Messe C-Dur von Ludwig van Beethoven. Die Coriolan-Ouvertüre entstand zur selben Zeit wie die fünfte Sinfonie. „Sie ist hinsichtlich ihrer kompositorischen Dichte mit Beethovens Fünfter vergleichbar“, sagt Leonhard Völlm.

Große kunsthistorische Bedeutung

Die Messe in C-Dur ist eine von nur zwei großen geistlichen Kompositionen Beethovens. „Beethoven konnte kein Latein. Er hat sich die Bedeutung der Messe mit dem Wörterbuch hergeleitet“, sagt Völlm. Dennoch habe die Messe eine große Tiefe entlang dem Text, die man Beethoven so gar nicht zutraue. „Damals war es eine Skandalkomposition“, sagt Völlm. Der Kantor hat sich viel mit Beethoven, seiner Biografie und seinen Werken beschäftigt und ist überzeugt: „Die Messe C-Dur wird zu wenig beachtet. Sie ist von großer kunsthistorischer Bedeutung.“

Das Konzert
in der Martinskirche am Oberdorfplatz beginnt am Samstag, 6. Dezember, um 18 Uhr. Es musizieren die Martinskantorei und die Capella Sancti Martini. Die Solisten sind Christine Reber (Sopran), Kirsten Redlin (Alt), Steffen Schaff (Tenor) und Julian Redlin (Bass). Die Leitung hat Leonhard Völlm. Günther Wagner ist an dem Tag anwesend.