Monika Barz ist eine landesweite Vorkämpferin gegen sexuelle Gewalt und für die Rechte von Lesben. Nun gibt sie mit 63 freiwillig alle Ämter auf.

Ludwigsburg - Es gibt Bilder, die brennen sich für ein Leben lang im Gedächtnis ein. Ein solches Bild kommt Monika Barz immer vor Augen, wenn sie über die Neckarbrücke in Tübingen geht. Dann erinnert sie sich, als ob es gestern gewesen wäre, an eine Szene aus den 80er Jahren. Als junge Studentin hat sie einen Infostand organisiert, der zur Gründung eines Frauenhauses in Tübingen aufrief. „Plötzlich wurden wir von Passanten angegriffen“, erinnert sich die 63-Jährige, „uns wurde vorgeworfen, die Ehe kaputt zu machen.“

 

Obwohl diese Szene schon Jahrzehnte zurückliegt, ist sie doch prägend für das Leben von Monika Barz. Sie hat sich in einer Zeit und in einem gesellschaftlichen Umfeld dazu bekannt, lesbisch zu sein, in der das noch eine ungeheure Provokation war. Sie hat an der Evangelischen Akademie Bad Boll 1985 die „Lesbentagungen“ ins Leben gerufen und aus dieser Keimzelle ein landesweites und sogar europäisches Netzwerk gegründet. Gerade weil Barz sich stets im evangelischen Milieu bewegt hat, war und ist sie konservativen klerikalen Kreisen mit ihrem Kampf für Frauenrechte und gegen sexuelle Gewalt bis heute ein Dorn im Auge. So blickt sie auf ihr langes Engagement zwar stolz, aber auch ein wenig desillusioniert zurück: „Wir haben viel erreicht, aber in mancher Hinsicht hat sich auch kein Millimeter etwas verändert.“

In der Gerlinger Waldsiedlung aufgewachsen

Dass die junge Frau, die in Gerlingen in der Waldsiedlung aufgewachsen ist und aus einem bürgerlich-mittelständischen Haushalt stammt, einmal eine solch profilierte Verfechterin der Rechte von Frauen, Lesben und Transsexuellen werden würde, war nicht immer absehbar. An ihre Jugend in Sichtweite der Bosch-Zentrale und den Schulbesuch auf dem Albert-Schweitzer-Gymnasium in Leonberg erinnert sie sich noch gut. „Ich hatte eine idyllische Kindheit, man war mit wenigen Schritten im Wald“, erinnert sich Monika Barz.

Zunächst beschritt sie auch einen gutbürgerlichen Weg, studierte Mathematik und Sport auf Lehramt. „Die Kombination war ideal: wenig Korrekturen“, lacht sie. Im Schwarzwald und in Gechingen im Kreis Calw war sie Lehrerin. Doch sie wollte mehr erreichen, vielleicht wollte sie auch der Enge der Provinz entfliehen. Daher studierte sie Pädagogik in Tübingen und promovierte schließlich.

Noch wichtiger war Monika Barz aber, ihre Stimme zu erheben. Sich bekennen zu ihrer Lebensweise, eintreten gegen Gewalt und für Toleranz . Wegen ihrer Lebenspartnerin zog sie nach Niedersachsen, war dort zehn Jahre in der Stadt Loccum in der evangelischen Erwachsenenbildung tätig, und war Fraktionschefin im Stadtrat einer grünen und bunten Liste. „Damals habe ich gelernt, Mehrheiten zu organisieren“, erinnert sich die 63-Jährige. Etwa für einen Notruf für weibliche Gewaltopfer oder Selbstverteidigungskurse für Mädchen. Wobei ihr Engagement nicht auf das lokale Geschehen beschränkt blieb.

So entstanden die „Lesbentagungen“ in Bad Boll. Es traf sich gut, dass Herta Leistner dort Studienleiterin war, in ihr fand Barz eine kongeniale Mitstreiterin, und setzte gegen erhebliche Widerstände die umstrittenen Tagungen durch. „Immer wieder haben konservative Kreise in der Landessynode damit gedroht, Bad Boll deswegen den Geldhahn abzudrehen“, erinnert sich Barz an die Kämpfe dieser Zeit.

Streit mit konservativen Kirchenkreisen

Aber ihr ging es darum, für lesbische Frauen ein Forum zu schaffen. Die Evangelische Landeskirche ist schließlich ein großer Arbeitgeber im sozialen Bereich – und hat viele lesbische Angestellte in ihren Reihen. „Bis heute verstecken sich viele aus Angst vor Repressionen“, sagt Monika Barz. Auch wenn es homosexuelle Pfarrerinnen gebe, so fehle es doch in der Breite der Landeskirche noch an Akzeptanz.

Ihre erste Veröffentlichung 1985 trug den vielsagenden Titel „Hättet ihr gedacht, dass wir so viele sind?“ Schließlich wurde Monika Barz 1993 Professorin für Theorie und Praxis Sozialer Arbeit mit Mädchen und Frauen, wie es offiziell bis heute heißt. Zunächst an der FH Reutlingen, die von 1996 an mit der Evangelischen Hochschule verschmolz und nach Ludwigsburg verlagert wurde. „Ein schmerzlicher Prozess“, erinnert sich Barz, die als Prorektorin die Fusion zu managen hatte. Die linke Reutlinger Hochschule mit der konservativen in Ludwigsburg zusammenzubringen, hat viel Kraft und Energie gekostet.

Doch ihr Lehrstuhl hat es Barz ermöglicht, viele Studien und Forschungen zu betreiben. Etwa darüber, wie man mit gewalttätigen Ehemännern umgehen soll. Oder wie in der Diakonie mehr Frauen in Führungspositionen gebracht werden können. Vor allem aber hat Barz mit Studentinnen gearbeitet, für Toleranz und Offenheit geworben. Ihre aktuellste Studie befragt lesbische Absolventinnen, wie sie den Einstieg in den Beruf erleben, und was sie der nächsten Generation raten können. „Viele fangen verdeckt an, bekennen sich im Bewerbungsgespräch noch nicht“, sagt Barz, „die Angst vor Benachteiligung im Berufsleben ist immer noch da.“

Provokante Thesen zum Abschied

Bei ihrer Abschiedsfeier an der Evangelischen Hochschule, die von der StZN-Kulturredakteurin Adrienne Braun moderiert wurde, sprach Barz von der „Zweigeschlechtlichkeit als Konstruktion“ und über Intersexualität. Provokante Thesen, die auch mancher Professorenkollege nicht teilt. „Manche hätten noch etwas von dem Vortrag lernen können, wenn sie da gewesen wären“, schmunzelt Barz.

Nun hört sie auf, legt alle Ämter nieder, etwa beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, wo sie viele Jahre Landesvorsitzende war. Bewusst zwei Jahre, bevor sie es muss. „Ich will noch etwas Neues beginnen können“, sagt die 63-Jährige. Was das ist, weiß sie selbst noch nicht. Leere statt Lehre steht jetzt erst einmal an. Und mehr Zeit für ihre Lebensgefährtin. Heiraten wollte sie übrigens nie, obwohl Barz immer dafür gekämpft hat, dass das möglich ist: „Die Ehe ist nicht so ganz meine Form.“

Vielleicht bleibt auch mehr Zeit zum Golfspielen. Denn das ist ihr liebstes Hobby, wider alle Klischees. Eine linke Sozialpädagogin, die Golf spielt – vielleicht eine unbewusste Provokation, die zeigen soll, dass Stereotype eben das sind: Allzu einfache Schablonen, die auf die Vielfalt des Lebens einfach nicht passen.