Die Evangelische Kirche in Deutschland hat eine neue Vorsitzende. Die Präses der westfälischen Kirche, Annette Kurschus, wurde in dieses Amt gewählt.

Bremen - An der Spitze des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stehen künftig zwei Frauen. Am Mittwoch wurde die westfälische Präses Annette Kurschus mit großer Mehrheit zur neuen Ratsvorsitzenden gewählt. Die 58-Jährige war zuvor bereits stellvertretende Ratsvorsitzende und ist nach Margot Käßmann die zweite Frau an der Spitze der EKD in deren Geschichte. Kurschus folgt auf Heinrich Bedford-Strohm, der nicht für eine weitere sechsjährige Amtszeit kandidierte. Zur stellvertretenden Ratsvorsitzenden wurde die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs gewählt.

 

Für Kurschus stimmten am Mittwoch 126 der Delegierten aus Synode und Kirchenkonferenz, in der die 20 Landeskirchen auf EKD-Ebene organisiert sind. Vier Wahlberechtigte stimmten mit Nein, zehn enthielten sich. Für Fehrs stimmten 116 Delegierte bei 139 abgegebenen Stimmen. Elf stimmten gegen sie, zwölf enthielten sich.

Nachfolgerin von Bedford-Strohm

Kurschus steht seit 2012 an der Spitze der westfälischen Landeskirche, die derzeit rund 2,1 Millionen Mitglieder hat. Besonders geschätzt sind die Predigten der ruhig und überlegt auftretenden Theologin. Bei den Wahlen zum Rat der EKD war Kurschus am Dienstag als einzige Kandidatin bereits im ersten Wahlgang mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit in das kirchliche Leitungsgremium gewählt worden.

Die 60 Jahre alte Fehrs zog mit großer Stimmenanzahl im zweiten Wahlgang in den Rat ein. Sie ist seit 2011 Hamburger Bischöfin. Der Sprengel Hamburg gehört zur Nordkirche, die 1,9 Millionen Mitglieder hat. Fehrs gehörte zudem bislang dem Beauftragtenrat zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der EKD an, dessen Sprecherin sie von 2018 bis 2020 war. Kurschus und Fehrs waren beide Mitglieder im vorhergehenden Rat der EKD an.

Mehr Aufmerksamkeit für den Missbrauchsskandal

In einer kurzen Rede nach der Wahl, in der sie sich für das Vertrauen der Delegierten bedankte, versprach die neue Ratsvorsitzende, dem Thema Missbrauch künftig an der Spitze der EKD mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sie verwies auf die Forderung von Opfern sexualisierter Gewalt, das Thema zur Chefinnensache zu machen. „Das werde ich tun“, beteuerte Kurschus. Betroffene hatten am Montag bei der digital tagenden Synode Kritik an der Aufarbeitung von Missbrauch in der evangelischen Kirche geäußert. „Das waren starke, schmerzliche und bitter notwendige Momente“, sagte Kurschus.

Als weitere Schwerpunkte für ihren Ratsvorsitz nannte sie das Thema Klimawandel und die Aufgabe der Kirche, an der Seite der Schwachen, Abgehängten und Verletzten zu stehen. Zugleich will sie nach eigenen Worten auf Menschen zugehen, die von der Kirche enttäuscht sind. Die Erwartungen an die Kirche seien „immer noch und immer neu groß“, sagte sie. Das spiegele sich auch in herber Kritik und Enttäuschung. Zugleich seien die großen Erwartungen ein gutes Zeichen, weil sie Interesse an der kirchlichen Botschaft der Hoffnung zeigten.

Kurschus und Fehrs waren nach den guten Abstimmungsergebnissen bei den Ratswahlen am Dienstag vom neu gewählten Rat der EKD und der Kirchenkonferenz im Duo für die Spitzenposten vorgeschlagen worden. Dass diese Besetzung „gendermäßig nicht ausgeglichen“ sei, habe nicht vom Vorschlag abgehalten, sagte das älteste Ratsmitglied Andreas Barner. Die EKD wird damit künftig vor allem von Frauen in der Öffentlichkeit repräsentiert. Auch die Präses der EKD-Synode, die im Frühjahr gewählte 25-jährige Anna-Nicole Heinrich, ist eine Frau und qua Amt ebenfalls 15 Mitglied im Rat, dem insgesamt acht Frauen und sieben Männer angehören.