Weil gespart werden muss fallen im Kirchenbezirk Böblingen nicht nur Pfarrstellen weg, sondern auch das Evangelische Jugendwerk muss sich mit weniger Hauptamtlichen strukturell neu aufstellen. Wie das funktionieren soll, haben die Erfinder des neuen Modells nun präsentiert.
Weniger Mitglieder, sinkende Kirchensteuereinnahmen und fehlender Pfarrernachwuchs – diese drei Haupteinflussfaktoren sorgt dafür, dass in der evangelischen Kirche aktuell viele bestehende Strukturen vor einschneidenden Veränderungen stehen, die massive Auswirkungen auf die Basis vor Ort haben.
So haben die Mitglieder des höchsten kirchlichen Entscheidungsgremiums im Kirchenbezirk Böblingen, der Bezirkssynode, in der alle Kirchengemeinden vertreten sind, im vergangenen Jahr einen drastischen Einschnitt beim Evangelischen Jugendwerk (EJW) beschlossen, das die kirchliche Jugendarbeit im ganzen Bezirk unterstützt: Die aktuell 7,25 Stellen sollen – peu à peu und ohne betriebsbedingte Kündigungen – auf vier Stellen gekürzt werden.
Die Waldheime haben feste Ansprechpartner
Mit welchen neuen Strukturen es dann dennoch möglich sein soll, dass die hauptamtlichen Kräfte die kirchliche Jugendarbeit in den Gemeinden unterstützen, haben Geschäftsführerin Gerlinde Sautter und Petra Ländner, die erste Vorsitzende des Bezirksjugendwerks in der Herbstsynode des Bezirks erläutert, die im Ehninger Gemeindehaus tagte. Demnach wird jeweils eine 50-Prozent-Stelle den beiden Waldheimen in Böblingen und Sindelfingen zugeordnet. Die drei übrigen EJW-Jugendreferenten werden künftig direkte Ansprechpartner für einen der drei Distrikte, in die der Bezirk unterteilt ist. „Wir müssen in Zukunft in Netzwerken arbeiten“, betonte Gerlinde Sautter. Dabei seien Flexibilität und Agilität bei allen Beteiligten gefragt.
Neben der räumlichen Zuordnung wird es auch verschiedene Schwerpunkte bei den Hauptamtlichen geben: Schulung und Entwicklung, Freizeiten, Arbeit mit Kindern, Konfiarbeit, Geistliches, Junge Erwachsene sind dabei die Themen, die sich im Beteiligungsprozesses, in dem das neue Modell erarbeitet wurde, als die wichtigsten herauskristallisiert haben. Diese seien jedoch nicht in Stein gemeißelt, sondern können immer wieder agil dem Bedarf angepasst werden.
Während es beim EJW wohl bis 2026 dauern wird, bis nach dem neuen Modell gearbeitet wird, werden die ersten Auswirkungen des im Frühjahr verabschiedeten Pfarrplans bereits ab dem kommenden Jahr durch mehrere Gemeindefusionen sichtbar: So schließen sich die Böblinger Kirchengemeinden ebenso zu einer großen Gemeinde zusammen wie die in Sindelfingen. Auch in Aidlingen, Dachtel und Deufringen ist der Zusammenschluss unter dem neuen Namen „Evangelische Kirchengemeinde Aidtal“ bereits beschlossene Sache.
Auch das System der Kirchenpflege funktioniert nicht mehr
Diese Entwicklung ist der Tatsache geschuldet, dass bis 2030 knapp ein Drittel der bisher vorhandenen Pfarrstellen wegfallen wird und es dann nicht mehr für einen Pfarrer pro Gemeinde reicht. Stattdessen werden sich künftig Pfarrer-Teams um mehrere Gemeinden kümmern. Die Zusammenarbeit in diesen Kooperationsräumen werde immer wichtiger, „wenn unsere Kraft auf der Seite der Pfarrämter weiter abnimmt“, sagte Dekan Markus Frasch – und machte damit deutlich, dass die Heimat der Kirchenglieder in diesen Räumen liegen wird und nicht mehr in den Gemeinden.
Auch die Kirchenverwaltung steht durch die Zentralisierung der Kirchenpflegen im Kreis Böblingen vor tiefschürfenden Veränderungen. Ausschlaggebend für diese Reform ist nicht das Thema Geldsparen, sondern dass das bisherige System nicht mehr funktioniert, betonte Dekan Frasch.
Denn bisher kümmern sich die Kirchenpfleger der jeweiligen Gemeinden um Finanz-, Personal- und Baufragen. Weil die zunehmend komplexer werden und es außerdem immer schwieriger wird, Nachfolger für diese Einzelkämpfer zu finden, wird aktuell die Evangelische Regionalverwaltung (ERV) aufgebaut, die dann diese Verwaltungsaufgaben für alle Kirchengemeinden der drei Kirchenbezirke Böblingen, Herrenberg und Leonberg übernehmen soll.
Deren Leiterin Maren Stepan berichtete nun, dass neben Gesprächen in allen knapp 60 Gemeinden ein weiterer Schwerpunkt gerade auf der Gewinnung von qualifiziertem Personal liege.
Fusion in Zahlen und Posten
Bezirke
Im Kreis Böblingen gibt es drei evangelische Kirchenbezirke. Der Böblinger ist mit aktuell rund 52 000 Gemeindegliedern der größte. Leonberg zählt rund 41 000 und Herrenberg rund 38 000 Mitglieder.
Fusion
Im Oktober bildete ein Treffen der drei Leitungen der Kirchenbezirke den Auftakt für den Fusionsprozess. Dieser soll bis Ende 2028 abgeschlossen sein. Laut Dekan Markus Frasch gibt es keine Vorgabe vonseiten des Oberkirchenrates, ob letztendlich zwei Kirchenbezirke entstehen sollen oder einer, dessen Grenzen dann denen des Landkreises Böblingen entsprechen würde.
Schuldekan
Nachdem die für Herrenberg und Böblingen zuständige Schuldekanin Ursula Ripp-Hild jüngst in den Ruhestand verabschiedet wurde, übernimmt während des Neustrukturierungsprozesses der für Leonberg und Mühlacker zuständige Schuldekan Andreas Hinz die Aufgabe vertretungsweise.