Die Gewerkschaft EVG ruft von Sonntagabend bis Dienstagnacht zum Warnstreik insbesondere bei der Deutschen Bahn auf – deren Fernverkehr wird eingestellt. Die Wirtschaft sorgt sich um die Folgen für den Güterverkehr.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Mit massiver Kritik reagiert die baden-württembergische Wirtschaft auf die Ankündigung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), den Fern-, Regional- und Güterverkehr in Deutschland von Sonntagabend bis Dienstagabend für 50 Stunden bestreiken zu wollen – es ist der bisher längste Ausstand im aktuellen Tarifkonflikt.

 

„Dieser Warnstreik ist nicht nur unnötig, sondern auch unverhältnismäßig“, rügte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), Oliver Barta. Mit seinem Umfang und einer Aktionsweite über das gesamte Bundesgebiet sprenge er völlig den Rahmen eines Warnstreiks. Neben den Belastungen für Berufspendler und Fernreisende werde er zu einer massiven Beeinträchtigung des nationalen wie internationalen Warentransports führen und einen großen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. „Die Gewerkschaft fügt dem Ruf der Tarifpartnerschaft in unserem Land einen enormen Schaden zu.“ Die EVG solle den Großstreik absagen und an den Verhandlungstisch zurückkehren, forderte Barta.

Wirtschaftliche Auswirkungen im Cargo-Bereich erhofft

Konkret ruft die EVG dazu auf, die Arbeit von Sonntag, 22 Uhr bis Dienstag, 24 Uhr niederzulegen. Mit Ausnahme der Unternehmen, in denen schon wesentliche Fortschritte in den Verhandlungen erzielt worden seien, sollen davon alle übrigen von insgesamt rund 50 Eisenbahn- und Verkehrsunternehmen betroffen sein. Vor allem im Cargo-Bereich der Deutschen Bahn (DB) werde der lange Ausstand wirtschaftliche Auswirkungen haben, erwartet die Gewerkschaft.

Die DB reagiert mit der kompletten Einstellung des Fernverkehrs in der Streikphase – auch bei DB Regio werde „größtenteils kein Zug fahren“. Die Fahrgäste sollen ihre Fahrten möglichst bis zum frühen Sonntagabend vorziehen, wird empfohlen. Im Fernverkehr wird zur Sitzplatzreservierung geraten. Geboten würden wieder Kulanzregelungen: Alle Fahrgäste, die ihre für den 14. bis 16. Mai geplante Reise wegen des Streiks verschieben wollen, können das bis einschließlich 11. Mai gebuchte Ticket für den Fernverkehr von sofort an bis Sonntagabend flexibel nutzen.

Weil der 50-stündige Warnstreik vor einer der reisestärksten Zeiten im Jahr – mit dem Himmelfahrtstag und dem Brückentag – ende, sei eine flexible Nutzung der Tickets nach Streikende aber nicht möglich. Wer seine Fahrkarte kostenlos stornieren möchte, könne dies im Rahmen der Fahrgastrechte tun.

Die DB Cargo wiederum werde mit ihren Kunden aus Industrie und Wirtschaft „angepasste Transportlösungen finden“, so das Unternehmen. Versorgungsrelevante Züge werden priorisiert, doch werden Störungen in Lieferketten und erhebliche Rückstaus im europäischen Güterverkehrsnetz erwartet.

Aktueller Knackpunkt ist der Mindestlohn

Die EVG begründet ihren dritten Streik mit mangelnden Fortschritten in der zweiten Verhandlungsrunde. Die Deutsche Bahn lasse sich bei ihren Angeboten oft ein Hintertürchen offen. Als Beispiel wird der Mindestlohn genannt. Da werde der Öffentlichkeit suggeriert, man habe die Forderungen der EVG erfüllt. Richtig sei, dass nun zwölf Euro Mindestlohn in der Lohntabelle stehen sollen, doch solle auch bei 13 Euro Schluss sein – unabhängig von der Lohnerhöhung.

DB-Personalvorstand Martin Seiler nennt den Ausstand „irrsinnig“, „völlig grundlos“ und „restlos überzogen“ – „es sei „quasi ein Vollstreik ohne Urabstimmung“. Und er betont, dass die zentrale Forderung der Gewerkschaft zum Mindestlohn erfüllt sei. Mitnichten habe die Bahn dabei einen Deckel von 13 Euro vorgeschlagen; allein das vorliegende Angebot belaufe sich auf 13,20 Euro. Auf dem Tisch lägen außerdem zehn Prozent Lohnerhöhung für untere und mittlere Einkommen in zwei Schritten sowie eine Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2850 Euro. Die Laufzeit soll 27 Monate betragen.

Die Verdi-Konkurrenz hat ihren Bahnkonflikt abgeräumt

Zuletzt hatte sich wieder etwas Entspannung im Bahnverkehr abgezeichnet, nachdem es vor einer Woche zum Verhandlungsergebnis für den Eisenbahn-Tarifvertrag (ETV) gekommen war, der für rund 5000 Beschäftigte aus etwa 40 Betrieben gilt – unter anderem für die SWEG, die dem Land Baden-Württemberg gehört. Verdi und der Arbeitgeberverband Deutsche Eisenbahnen (AGVDE) vereinbarten eine steuerfreie Einmalzahlung von 1500 Euro sowie eine Tabellenerhöhung um 300 Euro monatlich ab Oktober. Verdi zufolge bedeutet das Ergebnis in den unteren und mittleren Entgeltgruppen eine Lohnsteigerung von 9,3 bis 13 Prozent.

Die Unruhe bei der Deutschen Bahn bleibt erhalten: Weitere Streiks könnten seitens der EVG-Konkurrenz im Herbst folgen – dann stehen Tarifgespräche mit der Lokomotivführergewerkschaft an. „Das wird ein heißer Herbst!“, kündigt die GDL schon an.