Die Schwertträger-Fische in Mittelamerika zeigen, wie Evolution funktioniert: Die Weibchen dürfen zwar wählen, welche Eigenschaften der Männchen sie bevorzugen, doch die Männchen machen längst nicht alles mit.

Stuttgart - Den Grenzen der Damenwahl ist der Evolutionsbiologe Axel Meyer von der Universität Konstanz auf die Spur gekommen. Mit Julia Jones und Ji Hyoun Kang aus seiner Arbeitsgruppe und Manfred Schartl von der Würzburger Universität hat der Forscher eine Fischgattung in den Bächen und Flüssen Mittelamerikas unter die Lupe genommen. Weil deren Männchen eine Verlängerung der Schwanzflosse haben, die einem kleinen Schwert ähnelt, heißen die Tiere „Schwertträger“. Rätselhaft waren in dieser Gattung die Platys. Obwohl die Weibchen dieser Fische auf Schwerter stehen, verzichten die Männchen auf ein solches Statussymbol. Wie kann das in der Evolution gut gehen?

 

Platys könnten aus der Zeit vor der Entwicklung der verlängerten Schwanzflossen stammen, vermuteten einige Biologen. Als sich die Konstanzer und Würzburger Forscher das Erbgut dieser Fische genauer anschauten, kamen sie aber zu einem anderen Ergebnis. Wie sie in den Fachzeitschriften „BMC Evolutionary Biology“ und „Molecular Ecology“ berichten, entstanden in der Evolution zunächst die Schwertträger. Später verloren die Platys-Männchen dieses Schwert wieder, obwohl ihre Weibchen die Vorliebe für dieses Attribut bewahrten. Vor der Erklärung stand die Sisyphos-Arbeit der Datensammlung: Die Forscher untersuchten das Erbgut aller 26 Fischarten der Gattung, um die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Schwertträgern und Fischen ohne dieses Utensil zu klären. Dabei zeigte sich, dass die Evolution nicht allein durch die Vorliebe der Weibchen für starke Männchen gesteuert wurde.

Mit dem Schwert macht man auch Räuber auf sich aufmerksam

Ein Vertreter des starken Geschlechts kann seine Chancen bei den wählerischen Damen der eigenen Art enorm verbessern, wenn er überzeugend zeigt, wie kräftig er ist. Und das demonstrieren so unterschiedliche Arten wie Rothirsche und Pfauen gern mit einem Luxus: Der Vogel legt sich ein Rad aus Schwanzfedern zu, während der Paarhufer ein mächtiges Geweih trägt. In der Entwicklung dieser Körperteile steckt viel Energie, ihr praktischer Nutzen ist abgesehen vom Beeindrucken möglicher Rivalen und der wählenden Damen fraglich.

Bei den kleinen Fischen in den Gewässern Mittelamerikas ist es der Luxus einer verlängerten Schwanzflosse: Männchen mit einem größeren Schwert sind für die Weibchen attraktiver und haben so gute Chancen auf viele Nachkommen. So müsste das Schwert der Fische theoretisch immer größer werden, weil sich die Weibchen bevorzugt mit den großen Schwertträgern paaren. Doch die Evolution läuft anders, denn der Luxus hat Nachteile. Die Art Xiphophorus montezumae hat ein Schwert, das so lang ist wie der restliche Körper – größer macht wohl biologisch keinen Sinn. „Das Schwert kostet nicht nur viel Energie, es behindert die Männchen auch beim Schwimmen“, sagt Axel Meyer. Mehr noch: mit einem auffälligen Schwert sind die Fische für Räuber leichter zu erkennen – und könne zudem nicht so gut fliehen.

Genau das scheinen die Platys erlebt zu haben, die eher in ruhigen Gewässern leben, in denen viele Feinde auf sie lauern. Die Vorfahren dieser Fische haben ihr Schwert daher wieder verloren. „Die Schwertträger dagegen leben oft in schnell fließenden Gebirgsbächen, in denen sich erheblich weniger Feinde tummeln“, berichtet Axel Meyer. Die Bestätigung für diese Überlegung liefern zwei Mischarten aus Schwertträgern und Platys, die vermutlich bereits seit rund zwei Millionen Jahren mit kleinen, aber deutlich ausgeprägten Schwertern durch wenige Gewässer Mittelamerikas schwimmen. Die Erbgutanalysen der deutschen Forscher zeigen, dass beide Arten entstanden, weil Platys-Weibchen sich mit Schwertträger-Männchen einer anderen Art paarten.

Die Weibchen suchen also immer noch die großen Schwerter mit dem zur Schau gestellten Luxus und lassen sich daher zumindest in den Aquarien der Forscher auch mit einer fremden Art ein. In den Gewässern Mittelamerikas aber lebt meist nur eine Art, so kommen die Weibchen kaum in Versuchung. Dort aber haben Raubfische der Damenwahl ihre Grenzen aufgezeigt, als sie die Männchen mit Schwertern einfach wegfraßen.