Mehr als sechs Jahrzehnte war die katholische Zentrumspartei nicht Teil des Bundestags. Jetzt stellt die im Kaiserreich gegründete Partei auf einmal wieder einen Abgeordneten – er wechselte von der AfD-Fraktion zum Zentrum.

Neuss - Die katholische Deutsche Zentrumspartei ist überraschend wieder im Bundestag vertreten. Der Bundestagsabgeordnete Uwe Witt (62), der in der vergangenen Legislaturperiode für die AfD im Bundestag saß und im Dezember wegen des strammen Rechtskurses aus der Partei ausgetreten war, ist in die Zentrumspartei eingetreten.

 

Die 1870/71 gegründete Zentrumspartei war sowohl im Kaiserreich als auch in der Weimarer Republik eine sehr einflussreiche demokratische Partei und stellte mehrere Reichskanzler und Minister, darunter Heinrich Brüning, Wilhelm Marx und Matthias Erzberger. Im Juli 1933 löste sie sich auf. Mit der Gründung der CDU als überkonfessioneller Sammlungspartei verlor das Zentrum nach dem Zweiten Weltkrieg größere Teile seiner Wähler- und Mitgliederbasis. Seit Mitte der 1950er-Jahre war sie lediglich eine Kleinpartei.

Der Generalsekretär der Zentrumspartei ist „hocherfreut“

Der Generalsekretär der Deutschen Zentrumspartei, Christian Otte, begrüßte den Beitritt: „Die Deutsche Zentrumspartei ist hocherfreut, seit 1957 endlich wieder einen Bundestagsabgeordneten in den eigenen Reihen begrüßen zu dürfen“, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung vom Dienstag. „Wir freuen uns, dass mit Uwe Witt ein christlich-sozialer und auf dem Boden der Demokratie verwurzelter Abgeordneter den Weg zu uns gefunden hat. Mit seiner Erfahrung sowohl im arbeits- und sozialpolitischen Bereich, wie auch in anderen politisch relevanten Bereichen, wird er unser Profil und unsere Programmatik schärfen.“

Otte bezeichnete den Parteieintritt Witts als „Signal des Aufbruchs und der neuen Aufstellung der Partei. Die Bürger haben den Wunsch nach einer neuen ernstzunehmenden konservativen-sozialen politischen Kraft und diese wollen wir nun wieder aktiv bundesweit anbieten.“

Uwe Witt war im Dezember aus der AfD-Fraktion ausgetreten

Witt sagte dazu, mit der Zentrumpartei habe er eine echte politische Oppositionspartei gefunden, die tief und fest in der Demokratie verwurzelt sei. „Ich freue mich, christlich soziale und menschengerechte Politik für die Zentrumspartei im Deutschen Bundestag machen zu dürfen.“ Er wolle den Bürgern „bei der derzeitigen Parteienlandschaft eine neue bürgernahe, freiheitliche und konservative Kraft bieten“.

Witt, der aus Witten im Ruhrgebiet stammt, war im Dezember aus der AfD-Fraktion ausgetreten. In einem Schreiben hatte er als Grund „Grenzüberschreitungen“ von AfD-Mitgliedern genannt. Er wandte sich sich gegen die Dominanz des rechtsextremen „Flügel“ rund um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke. Witt war bei der Bundestagswahl im September Spitzenkandidat der AfD in Schleswig-Holstein. Das Zentrum bezeichnet sich selbst als „älteste Partei Deutschlands“. Andere Parteien wie die SPD wurden zwar teils schon vorher gegründet, wechselten im Laufe der Geschichte jedoch ihre Namen.