Eigentlich konnte sich Reinhold Geilsdörfer schon entspannen: eine Strafanzeige wegen seines Wechsels von der Dualen Hochschule zur Stiftung des Lidl-Gründers war abgewiesen worden. Nach einer Beschwerde werden die Vorwürfe nun aber erneut geprüft – ein ungewöhnlicher Vorgang.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Wechsel des früheren Präsidenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Reinhold Geilsdörfer, zur Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz beschäftigt erneut die Justiz. Eine von der Staatsanwaltschaft Stuttgart als unbegründet abgewiesene Strafanzeige gegen Geilsdörfer wegen Vorteilsannahme wird nun aufs Neue von der Staatsanwaltschaft Heilbronn geprüft. Nach monatelanger Prüfung einer Beschwerde hat die übergeordnete Generalstaatsanwaltschaft in Stuttgart den Vorgang dorthin weitergeleitet. Dies bestätigte eine Sprecherin der Heilbronner Ermittlungsbehörde. Damit hatte der Anzeigeerstatter, ein Professor der DHBW, überraschend Erfolg. Es gilt als selten, dass solchen Beschwerden – zumal von nicht direkt Betroffenen – stattgegeben wird. Geilsdörfer weist den Verdacht weiter weit von sich.

 

Hintergrund der Anzeige ist der nahtlose Wechsel des DHBW-Präsidenten zur Dieter-Schwarz-Stiftung in Neckarsulm bei Heilbronn und sein vorheriger Einsatz für den Hochschulstandort Heilbronn. In Geilsdörfers Amtszeit war die frühere Außenstelle der DHBW-Akademie Mosbach zum selbstständigen Standort aufgewertet und mit finanzieller Hilfe der Stiftung massiv ausgebaut worden. Dies hatte insbesondere in Mosbach, aber auch an anderen Standorten Unmut und Misstrauen ausgelöst. Die genaue Höhe des Engagements – es geht wohl um viele Millionen – und die Modalitäten werden bisher geheim gehalten. Nach seinem Ausscheiden bei der DHBW Ende Januar wurde Geilsdörfer im Februar Co-Geschäftsführer der Stiftung.

In der bereits im September 2015 erhobenen Strafanzeige wurde der Verdacht geäußert, der DHBW-Chef habe den Ausbau von Heilbronn schon im Blick auf seine künftige Tätigkeit für die Schwarz-Stiftung betrieben. Im Interesse des Lidl-Konzerns solle dort eine „Kaderschmiede der Lebensmittelbranche“ entstehen. Geilsdörfer habe Projekte im Sinne der Stiftung initiiert und befördert und gleichsam im Gegenzug den Geschäftsführerposten erhalten, als „Vorteil für eine wohlwollende Dienstausübung“. Dies verstoße gegen den von ihm eingeführten Compliance-Kodex der DHBW, monierte der Jurist.

Die Hochschule hatte die Vorwürfe vehement zurückgewiesen. Alle Entscheidungen seien in den Gremien gefallen, betonte der Aufsichtsrat unter Führung der Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und des Daimler-Vorstandes Wilfried Porth. Zugleich unterstrichen sie die „herausragende Bedeutung“ der Zusammenarbeit mit der Schwarz-Stiftung. Geilsdörfer selbst zeigte sich über den Verdacht empört und betonte, er habe stets im Interesse der DHBW und nicht im eigenen Interesse gehandelt. Auf die zunächst angedrohten rechtlichen Schritte verzichtete er später. Ob sein Wechsel „aus Compliance-Sicht bedenklich ist, mögen andere beurteilen“, sagte er einmal.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte die heikle Anzeige zunächst nach Mosbach abgegeben, sich aber später wieder für zuständig erklärt. Im November entschied sie, keine Ermittlungen einzuleiten. Begründung laut einer Sprecherin: Es fehlten Anhaltspunkte für strafbares Handeln und insbesondere für eine sogenannte Unrechtsvereinbarung. Bei den Vorwürfen des DHBW-Professors handele es sich um einseitige Bewertungen, denkbar seien „auch ganz andere Motive“ für Geilsdörfers Engagement zu Gunsten von Heilbronn. Gegen den zuständigen Oberstaatsanwalt hatte der Anzeigeerstatter daraufhin Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft erhoben. Im Kern hebt diese dem Vernehmen nach darauf ab, dass die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht beachtet worden sei. Danach seien die Voraussetzungen für eine „Unrechtsvereinbarung“ weitaus weniger eng als von der Staatsanwaltschaft unterstellt; zentral komme es auf die – nicht geprüften – Interessenlagen des Amtsträgers und des Zuwendenden an.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte bei den Stuttgarter Kollegen daraufhin einen Bericht angefordert. Über Monate hinweg hieß es, die Prüfung dauere. Jetzt teilte die übergeordnete Behörde der StZ mit, es sei eine Entscheidung gefallen. Nähere Auskünfte könnte man derzeit nicht erteilen, sagte ein Sprecher und verwies darauf, dass „schwebende Verfahren“ nicht gefährdet werden dürften und öffentliche oder private Interessen zu schützen seien. Eine Sprecherin der Heilbronner Staatsanwaltschaft bestätigte jedoch, dass der Vorgang eingegangen sei und nun „durch den zuständigen Dezernenten geprüft“ werde. Ob es sich um Vorermittlungen oder Ermittlungen handele, ließ sie offen. Ein Sprecher der Schwarz-Stiftung sagte der StZ, die erneute Prüfung der Vorwürfe durch eine andere Staatsanwaltschaft sei „uns nicht bekannt“. Man werde dies nicht kommentieren.