Der Japaner Yusaburo Matsuoka, 36, startet in seiner Heimat im Angriff, wechselt dann aber die Position und beweist sein Talent zwischen den Pfosten jahrelang beim SV Fellbach. Heute trainiert er die Jugendlichen beim Bundesligisten VfB Stuttgart.

Bad Cannstatt - Der junge Yusaburo Matsuoka war ein torhungriger Stürmer. Vielleicht wäre er ja so gut geworden, dass er heute in der Bundesliga spielen würde. Beim VfB Stuttgart. Und die Vorlagen kämen dann von seinem Landsmann Wataru Endo, der im Mittelfeld des Aufsteigers präzise die Fäden zieht. Doch es kam anders. Weil der Tormann im Jugendteam aus der Stadt Kagoshima, an der Südwestspitze Japans gelegen, plötzlich keine Lust mehr auf die Rolle des Tormanns hatte, suchte der Trainer einen Nachfolger. Yusaburo Matsuoka bot sich an. „Ich war einmal im Tor, habe viele Bälle gehalten und bin dann drin geblieben“, sagt der heute 36-Jährige, der bis vor gut vier Jahren noch beim SV Fellbach zwischen den Pfosten stand. Das war das Ende einer möglichen Karriere als Stürmer – und der Start einer Laufbahn, bei der das Gehäuse ebenfalls im Mittelpunkt steht; nur eben in anderer Funktion. Seit Sommer 2018 ist Yusaburo Matsuoka Torwarttrainer beim Nachwuchs (U14/U15) des Erstligisten VfB Stuttgart.

 

Der begeisterte Fußballer ist im Alter von neun Jahren über seinen älteren Bruder Takaki zu diesem Sport gekommen. Nach seiner schulischen Laufbahn und dem Wirtschaftsstudium an der Doshisha-Universität in Kyoto zog es ihn nach Deutschland. Das war im Herbst 2009. Doch der Wunsch nach dem Umzug ist schon um einiges älter. Bei der Weltmeisterschaft 2002, die in Südkorea und Japan stattgefunden hatte, bewunderte Yusaburo Matsuoka den Tormann Oliver Kahn und dessen überragende Paraden, die das deutsche Nationalteam bis ins Finale brachten. Im Endspiel (0:2 gegen Brasilien) waren die Paraden des Oliver Kahn dann nicht mehr so überragend, trotzdem war für den jungen Japaner klar: Er möchte nach Deutschland und dort eine Torwarttrainer-Ausbildung beginnen.

Yusaburo Matsuoka bewunderte einst Oliver Kahn

In der Fremde kam er aber zunächst einmal zum Landesligisten SV Fellbach, bei dem er ein Probetraining absolvierte. Yusaburo Matsuoka überzeugte den damaligen Trainer Lothar Buckenberger und dessen Assistenten Harald Janik von seinem Können und hatte somit eine neue sportliche Heimat gefunden. Der Start war noch holprig: eine andere Sprache, eine andere Kultur, und fernab der Familie – die Verantwortlichen und die Spieler des SV Fellbach halfen ihm bei der Eingewöhnung. Später kamen die Trainer Markus Kärcher, Michael Kienzle und Marco Fischer, im Sommer 2017 ging dann Yusaburo Matsuoka wieder fort; aufgrund andauernder Hüftbeschwerden beendete er seine Spielerkarriere beim SV Fellbach. Doch er blieb in Tornähe.

Schon im Jahr 2014 ließ er sich beim Württembergischen Fußballverband (WFV) zum Torwarttrainer ausbilden und eröffnete im selben Jahr die japanische Fußballschule Stuttgart in Degerloch. Zudem leitete er unter anderen SVF-Jugendliche an. An seine Zeit in Fellbach hat er gute Erinnerungen: „Es war toll, als wir nach dem Spiel zum Fellbacher Herbst sind und gefeiert haben – oder bei der Abschlussfahrt auf Mallorca.“ Seine ehemalige Mannschaft verfolgt er noch immer.

Der 36-Jährige steht dem Landsmann Wataru Endo zur Seite

Seine erste Station als Torwarttrainer fand Yusaburo Matsuoka, der in Möhringen wohnt, bei den Jugendteams der Stuttgarter Kickers. Nach einem Jahr wechselte er innerhalb der Stadt zum VfB Stuttgart, bei dem er nun seit gut drei Jahren für die Jugendlichen verantwortlich zeichnet. In dieser Corona-Pandemie ist das auch für ihn schwierig, erst seit der vergangenen Woche kann er wieder mit den Jungs auf dem Platz trainieren. Viermal wöchentlich leitet er die Spieler zwischen den Pfosten an und gibt seine Erfahrungen weiter. Zuvor hatte Yusaburo Matsuoka seinen Torleuten einen individuellen Trainingsplan vorbereitet.

Wenn er nicht selbst auf dem Platz steht, schaut er regelmäßig die Bundesliga-Spiele des VfB Stuttgart im Fernseher. Nach den Begegnungen ist er oftmals in Kontakt mit Wataru Endo, dem er dann zumeist auch zu dessen bemerkenswerter Leistung gratuliert. Der 28-jährige Mittelfeldspieler, der ganz in der Nähe von Yusaburo Matsuoka wohnt, war im Sommer 2019 vom belgischen K. Sint-Truidense VV nach Stuttgart gewechselt. Immer wieder mal gehen sie gemeinsam im Park spazieren, manchmal sind auch die vier Kinder von Wataru Endo dabei. Yusaburo Matsuoka hilft seinem Landsmann bei der Eingewöhnung, beim Erlernen der Sprache. Und wenn der junge Yusaburo Matsuoka mit seinen Stürmerqualitäten damals nicht ins Tor gewechselt wäre, könnte er heute vielleicht selbst von den feinen Vorlagen des Wataru Endo profitieren.