Er ist erfahren, er ist ehrgeizig, und er hat eine starke Mannschaft: Trainer Velimir Petkovic, dem früheren Coach von Frisch Auf Göppingen, ist es zuzutrauen, mit Handball-Bundesligist Füchse Berlin ein gewichtiges Wort um die deutsche Meisterschaft mitzusprechen. Die Gelegenheit in dieser Saison ist günstig.
Berlin - Seit über 30 Jahren ist Velimir Petkovic im Trainergeschäft. RK Borac Banja Luka, TSV Scharnhausen, TSG Oßweil, HSG Wetzlar, Frisch Auf Göppingen, ThSV Eisenach hießen seine Stationen. Doch erst am vergangenen Donnerstag feierte der 61-Jährige mit dem Handball-Bundesligisten Füchse Berlin eine Premiere: Er verschwand nicht wie sonst nach der Schlusssirene sofort in der Kabine, er tanzte gemeinsam mit den Spielern ausgelassen im Kreis. Steffen Fäth hatte einen direkt verwandelten Freiwurf zum 31:30-Siegtreffer beim SC DHfK Leipzig ins Tor gehämmert. Eigentlich hätten die Schiedsrichter Sekunden davor auf Siebenmeter entscheiden müssen. Taten sie aber nicht. Weshalb Petkovic zum Vulkan mutierte: Erst bekam er eine Zeitstrafe aufgebrummt, als er sich auch danach partout nicht beruhigen konnte, kassierte das Energiebündel sogar die Rote Karte. Nach Fäths Tor des Jahres verwandelte sich Petkovics Frust in pure Ekstase. „Dass der Ball reinging war nicht Glück, vielmehr ausgleichende Gerechtigkeit und vor allem eines – Qualität“, sagte er mit etwas Abstand.
Topfavoriten haben Punkte liegen lassen
Petkovic thront mit den Füchsen an der Tabellenspitze. Vor dem Heimspiel an diesem Donnerstag (19 Uhr/Sky) gegen den HC Erlangen lautet die satte Ausbeute 14:0 Punkte. Besser geht es nicht. Die Topfavoriten Rhein-Neckar Löwen (zwei Minuspunkte), SG Flensburg-Handewitt (fünf) und THW Kiel (acht) haben dagegen schon Zähler liegen gelassen. Ist der Club aus der Bundeshauptstadt sogar ein heißer Tipp auf den Titel? Zumal sich im bisher verletzten 2,10-m-Riesen Marko Kopljar, dem Neuzugang aus Veszprém, noch ein Trumpf in der Hinterhand befindet. „Für solch eine Prognose ist es nach sieben Spieltagen noch viel zu früh“, lässt sich der Trainer-Fuchs nicht aus der Reserve locken.
Und auch Geschäftsführer Bob Hanning wiegelt ab: „Nach der Partie gegen Erlangen heißen die Gegner Hannover, Flensburg, Kiel, dann geht’s am 2. November nach Göppingen. Also einfach mal abwarten.“
„Petko ist der perfekte Trainer für uns“
Nicht überlegen muss der DHB-Vizepräsident, wer der Vater des bisherigen Erfolgs ist: „Velimir Petkovic ist für uns der perfekte Trainer“, sagt Hanning. Im Dezember 2016 hat er den gebürtigen Bosnier als Nachfolger von Erlingur Richardsson nach Berlin gelotst. Warum sich der mächtigste Mann im deutschen Handball für einen Coach entschied, der seit seiner Beurlaubung im März 2016 beim Zweitligisten ThSV Eisenach ohne Job war? „Weil Petko klare Leitplanken setzt“, betont Hanning. Der Charismatiker mit der rauen Stimme ist der Gegenentwurf zu seinem Vorgänger, dem stillen „nice guy“ aus Island. Petkovic hat die „Jugo-Fraktion“ (Hanning) um Jakov Gojun, Drago Vukovic und vor allem Petar Nenadic im Griff. Nenadic, neben Andy Schmid von den Löwen der einzige Spielmacher von Weltklasse-Format in der Bundesliga, ist der Anführer der Füchse. Lange Zeit befand sich der 31-Jährige auf dem Egotripp, spielte nur für sich selbst, jetzt spielt er für die Mannschaft. Doch nicht nur Petkovics Landsleute blühen auf: Steffen Fäth steigerte sich zuletzt in eine Galaform. Im Tor ist hinter Silvio Heinevetter Petr Stochl eine geduldige Nummer zwei, der seine Leistung bringt, wenn er für den deutschen Nationalkeeper eingewechselt wird. Und auch die Füchse-Philosophie, junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu integrieren, beherzigt Petkovic. „Das ist bei uns alternativlos“, stellt Hanning klar.
Petkovic kennt diese Haltung. Er ist clever und lange genug im Geschäft, um zu wissen: Verscherzt er sich es mit Hanning, ist er bei den Füchsen schnell Geschichte. So aber fühlt er sich wie im siebten Himmel. Da passt es ins Bild, dass seine Ehefrau Nada in ein paar Tagen zu ihm nach Berlin zieht. Seine 31-jährigen Zwillingssöhne Nino und Ivan leben und arbeiten als Rechtsanwalt und Arzt schon länger in Berlin.
„Petko kann bei uns in Rente gehen“
„Petko kann bei uns in Rente gehen“, sagt Hanning. Davor will der ehrgeizige Coach nach den EHF-Pokal-Triumphen mit Frisch Auf Göppingen 2011 und 2012 aber auch mit den Füchsen einen Titel holen: Am liebsten die deutsche Meisterschaft. Die laufende Saison würde sich ganz gut anbieten. Nicht nur wegen des glänzenden Starts und der teils schwächelnden Konkurrenz. Sondern weil nach der Runde Torjäger Fäth zu den Rhein-Neckar Löwen wechselt und Nenadic vor dem Absprung nach Veszprém steht. Ein gemeinsames Titel-Tänzchen mit Petko, das wär’s zum Abschied.