Die frühere Generalsekretärin der baden-württembergischen SPD, Luisa Boos, verzichtet auf einen günstigen Platz auf der Europaliste der Bundespartei. Sie will nicht gegen Evelyne Gebhardt in einer Kampfkandidatur antreten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Am Ende war der Druck zu groß: Die 34-jährige Luisa Boos wollte nicht mehr für einen Konfliktherd in der SPD verantwortlich sein. Also hat die frühere Generalsekretärin am Freitagmorgen auf ihren günstigen Platz auf der Europaliste der Bundespartei verzichtet. In einem Schreiben an den Parteivorstand und den baden-württembergischen Landesvorstand schlug Boos vor, sie am kommenden Sonntag beim Bundesdelegiertentreffen in Berlin für Platz 25 statt 15 vorzuschlagen.

 

Wenn es denn so kommt, rückt Evelyne Gebhardt wieder vor. Am Mittwoch hatte die Vizepräsidentin des Europaparlaments verkündet, „auf jeden Fall“ gegen Boos antreten zu wollen – damit wäre der baden-württembergische Konflikt in die Bundespartei getragen worden. „Ich möchte unter diesen Umständen nicht auf Platz 15 der Bundesliste kandidieren und bitte den Parteivorstand darum, mich auf den ursprünglich vorgesehenen Platz 25 vorzuschlagen“, schrieb Boos. „Unabhängig von möglichen Mehrheiten auf der Europavertreterversammlung, werde ich meinen Listenplatz nicht gegen eine geschätzte Genossin meines Landesverbandes verteidigen.“

Partei will sich jünger und weiblicher aufstellen

Damit folgte sie wohl auch der Einsicht, dass sie nicht gewinnen kann, wenn die Führung des eigenen Verbandes Gebhardt unterstützt. Die mehrheitlich junge Zusammensetzung auf der Europakonferenz hätte ihr da wohl nicht geholfen. Es sei, so Boos, für sie von Beginn an klar gewesen, dass sie nicht gegen Gebhardt um die Spitzenkandidatur für Baden-Württemberg kandidieren werde. Deshalb habe sie im Landesverband auf Platz drei kandidiert – „wohl wissend, dass die Chancen auf einen Einzug ins Parlament mit dieser Nominierung gering sind“.

Danach kam jedoch der Vorstoß der Parteiführung unter der Vorsitzenden Andrea Nahles, die Partei auf der Europaliste weiblicher und jünger darzustellen. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel schlug vor, Gebhardt und Boos zu tauschen, somit die jüngere der älteren vorzuziehen – gegen die baden-württembergische Reihenfolge. „In der Folge stand ich zwischen zwei demokratisch legitimierten Beschlüssen: dem meines Landesverbandes und dem meines Bundesvorstandes“, so Boos. „Ein Ausweg ohne massive Enttäuschungen war folglich unmöglich.“ Es habe für sie aber „nie infrage gestanden, dass ich das demokratische Votum meines Landesverbands akzeptiere“.

Als Generalsekretärin stets umstritten

Auch die Kandidatur des zweiten Europaabgeordneten Peter Simon – vom Parteivorstand auf Platz 28 gesetzt – sei eng mit dem Geschehen auf der Frauenseite verknüpft. Daher habe sie sich in Abstimmung mit Landeschef Andreas Stoch und mit Rücksicht auf die Verhandlungen mit anderen Landesverbänden und dem Parteivorstand öffentlich zurückgehalten. Nun sei zu befürchten, „dass mit diesem Rücktausch die Chance sehr gering ist, einen zweiten aussichtsreichen Platz für Peter Simon zu erreichen“.

Bei den Südwest-Genossen wird allgemein anerkannt, dass Boos „für die europäische Idee brennt“, wie sie selbst sagt. Deshalb hatte sie zur Europawahl 2019 zum dritten Mal ihre Kandidatur erklärt und wurde von den Kreisverbänden in ihrer Region Südbaden nominiert. Dort war der Rückhalt auch groß – doch als Generalsekretärin blieb sie immer umstritten. Die massivste Kritik kam ausgerechnet von den Südwest-Jusos, wo Boos einst eine führende Rolle eingenommen hatte. Viele Angriffe in den sozialen Netzwerken gingen unter die Gürtellinie. Da wurden diverse alte Rechnungen beglichen. Nun hat Luisa Boos der Partei noch einen Dienst erwiesen – und erst die Zukunft wird zeigen, ob sich dies für sie auszahlt.

Die Not, Verbündete zu finden

Landeschef Stoch sagte zu dem Schreiben: „Der Schritt von Luisa Boos verdient großen Respekt.“ Er sei ihr dafür sehr dankbar. Nun werde man weiter mit aller Kraft für eine bessere Platzierung von Peter Simon kämpfen. Aufgrund der Interessen anderer Landesverbände bleibe es aber äußerst schwierig, Verbündete zu finden.