Der Ex-Verwaltungschef des Landtags, Ulrich Lochmann, wehrt sich vor Gericht gegen seinen Hinauswurf durch Willi Stächele. Er könnte damit Erfolg haben.

Stuttgart - Als Ulrich Lochmann am Nachmittag des 11. Mai das Büro des unmittelbar zuvor gewählten Landtagspräsidenten Willi Stächele (CDU) betrat, kam er als Überlebender. Als er es verließ, war sein Berufsleben beendet. "Das war wie im Boxring", sagte Lochmann am Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart, "der Schlag kam völlig ansatzlos." Dabei habe er Kritik an seiner Arbeit nie vernommen.

 

In drei Sätzen hatte Stächele dem Verwaltungschef des Parlaments den Knockout versetzt. Er habe sich das gut überlegt, eröffnete Stächele das Gespräch. Lochmann zähle als Landtagsdirektor zur Kategorie der politischen Beamten. Deshalb schicke er ihn in den einstweiligen Ruhestand. Dreimal, so erinnerte sich Lochmann vor Gericht, habe Stächele diese drei Sätze repetiert. "Dann kann ich ja gehen", antwortete der Landtagsdirektor. "Dann können Sie gehen", replizierte Stächele.

Für das CDU-Mitglied Lochmann, damals 63, war das ein Schock, hatte sich der erfahrene Verwaltungsfachmann trotz des Regierungswechsels von Schwarz-Gelb zu Grün-Rot auf der sicheren Seite gesehen. Als Verwaltungschef des Landtags stand er nach Rang und Besoldung in einer Reihe mit den Amtschefs der Ministerien, dem exklusiven Club der Ministerialdirektoren mit der Lizenz für Besoldungsgruppe B9.

Er wollte sich Stächeles Willen nicht beugen

Über ihnen spannt sich in der Welt der Beamten nur noch der freie Himmel, sieht man einmal vom Amtschef des Staatsministeriums ab, der den Titel eines Staatssekretärs führt und noch ein bisschen besser verdient. Die Ministerialdirektoren fungieren als Stellvertreter ihres jeweiligen Ministers, dessen politische Ziele sie in die Verwaltung hineinzutragen und umzusetzen haben. Deshalb werden sie auch - wie in anderen Ländern - bei einem Wechsel der politischen Führung ausgetauscht.

So hielt es der langjährige Landesminister und neue Parlamentspräsident Stächele denn auch mit dem Landtagsdirektor Lochmann, der wähnte, dieses Schicksal bliebe ihm erspart, weil er mit dem Regierungswechsel unmittelbar nichts zu tun habe. Doch Willi Stächele ersetzte Lochmann durch Hubert Wicker, der gerade seinen Schreibtisch als Staatssekretär in der Villa Reitzenstein aufräumte. Gegen diese Berufung war an sich wenig einzuwenden. Wicker, ein Christdemokrat alter Schule, hatte Aufbauhilfe in Sachsen geleistet und später als Regierungspräsident in Tübingen die Rolle eines oberschwäbischen Duodezfürsten ausgefüllt; er war Amtschef im Finanzministerium gewesen, ehe er zum Chef der Staatskanzlei avancierte. Die einzige Frage, die sich an seine Berufung zum Landtagsdirektor knüpfte, war: Was macht der Mann nach dem zweiten Frühstück?

Doch Lochmann zeigte sich nicht gewillt, sich Stächeles Willen widerstandslos zu beugen. Er legte Klage beim Verwaltungsgericht ein. Sein Anwalt Armin Wirsing argumentierte, beim Landtagsdirektor handle es sich keineswegs um einen politischen Beamten, schon gar nicht im Sinne des einschlägigen Beamtenstatusgesetzes. Denn dieses Gesetz bezieht sich lediglich auf Ämter, bei dessen Ausübung der Beamte "in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müsse". Der Regierung! Der baden-württembergische Landtag aber ist nicht die Regierung, sondern das Parlament, also die Legislative und damit die erste Gewalt im Staat. Die Regierung ist die zweite.

"Außerhalb unseres Wirkungsbereichs"

Auf diese Tatsache, also auf den fehlenden Tatbestand für die Zurruhesetzung, hob auch der Vorsitzende Richter Rolf Vondung ab. Anwalt Wirsing, unter dem SPD-Minister Harald Schäfer übrigens Ministerialdirektor im Umweltministerium, schöpfte vor Gericht aus seiner Erfahrung und berichtete, dass für die Runde der Ministerialdirektoren der, so der exakte Titel, Direktor beim Landtag "nicht existent" sei, weil "außerhalb unseres Wirkungsbereichs" gewesen sei.

Die Vertreter der Landtagsverwaltung beriefen sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das den Begriff des politischen Beamten weit fasse. Beamtenrechtlich bestehe kein Unterschied zwischen einem Ministerialdirektor in der Regierung und dem Landtagsdirektor. Einen von Richter Vondung vorgeschlagenen Vergleich lehnten sie ab. Dabei hatte das Gericht eigens darauf hingewiesen, dass die Klage Lochmanns schon aus einem ganz andere Grund erfolgreich sein könnte: Der Verwaltungsakt der Zurruhesetzung entbehre einer schriftlichen Niederlegung der Ermessensgründe und sei deshalb aufzuheben. Aber selbst bei einem Erfolg wird Lochmann nicht mehr zurückkehren können; sein Posten ist ja besetzt. Stächele indes ist auch nicht mehr im Amt. Er musste wegen des EnBW-Deals zurücktreten. Am Freitag will das Gericht seine Entscheidung veröffentlichen.

Was das Gesetz sagt

Beamtenstatusgesetz In diesem Gesetz heißt es in Paragraf 30: „Beamte auf Lebenszeit können jederzeit in den einstweiligen Ruhestand gesetzt werden, wenn sie ein Amt bekleiden, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen.“

Landesbeamtengesetz Dort werden politische Beamte definiert: Es sind die Ministerialdirektoren und die Regierungspräsidenten.