Ex-Minister Willi Stächele (CDU) ist heute neben dem Mandat als Berater für Edeka tätig. Verraten muss er das nach den Transparenzregeln des Landtags nicht. Ein Vorstoß von Grün-Rot, sie zu verschärfen, scheiterte auch an Bedenken der CDU.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es herrscht ein gediegenes Ambiente, wenn Edeka alljährlich zum „Parlamentarischen Abend“ in Berlin bittet. Man trifft sich auf einer Dachterrasse im Herzen der Hauptstadt, im Hintergrund leuchtet das Brandenburger Tor mit der Quadriga obenauf. An weiß gedeckten Stehtischen plaudern Abgeordnete aller Couleur bei Bier und Wein mit den Vertretern des Handelsverbundes.

 

Zwei Herren aus der Ortenau sind regelmäßige Teilnehmer der Runde und posieren auch gerne miteinander für ein Foto: Willi Stächele aus Oberkirch und Adolf Scheck aus Achern. Scheck ist öffentlich weniger bekannt, aber bei Edeka eine große Nummer: Er führt den Aufsichtsrat des Lebensmittelriesen, der aus sieben Regionalgesellschaften besteht. Regelmäßig reist er dazu in die Zentrale nach Hamburg, wo er sich – wie der „Spiegel“ einmal spöttisch anmerkte – gleichsam selbst kontrolliert. Daheim im Südwesten nämlich leitet er mit Töchtern und Schwiegersöhnen ein Familienunternehmen mit zwölf „Scheck-In-Centern“; bis hinauf nach Mannheim und Frankfurt ist es präsent.

Vertreter des Volkes oder des Handelsverbundes?

Stächele kennt man noch als Minister in diversen Ressorts (Agrar, Europa, Finanzen) und als Kurzzeit-Landtagspräsidenten, der wegen seiner Rolle beim EnBW-Deal zurücktreten musste. Seither ist der 64-Jährige einfacher Abgeordneter des Wahlkreises Kehl, im Frühjahr 2016 will er wiedergewählt werden. Nach seinem politischen Absturz hat er sich als selbstständiger Rechtsanwalt niedergelassen und berät Unternehmen. Auch – oder vor allem – Edeka gehöre dazu, wird schon länger gemunkelt; in Offenburg, fast vor seiner Haustür, liege ja die Zentrale von Edeka Südwest.

Kommt Stächele also als Vertreter des Volkes zum „Parlamentarischen Abend“ oder als Vertreter von Edeka? Er selbst mag das nicht verraten. „Im Rahmen meiner anwaltlichen Tätigkeit habe ich Geschäftsbeziehungen zu Mandanten“, teilt er mit; da könne er „weder Namen noch Inhalte öffentlich machen“. Der Sprecher von Edeka Südwest verneint eine Zusammenarbeit zumindest für die Regionalgesellschaft: Zwischen dieser und Stächele „bestand und besteht keine Geschäftsbeziehung“.

Erst die Zentrale bestätigt die Beratertätigkeit

Erst von der Zentrale in Hamburg werden die StZ-Informationen schließlich bestätigt: Stächele habe Edeka „für einen kurzen Zeitraum und nach seiner Ministertätigkeit . . . in seiner Funktion als niedergelassener Anwalt beraten“. Man sei bereits im Sommer übereingekommen, die Zusammenarbeit zum Ende des Jahres zu beenden. Gründe werden nicht genannt, auch zur Art der Geschäftsbeziehung – etwa zum Aufsichtsratschef Scheck? – könne man „keine detaillierten Informationen“ geben. Im Klartext: gar keine.

Fragen nach der Vergütung bleiben ohnedies unbeantwortet. Im kleinen Kreis erzählt der Ex-Minister laut Ohrenzeugen dafür umso freimütiger, wie lukrativ die Tätigkeit sei. Den Offenlegungsregeln des Landtags tut Stächele damit genüge; mehr als seine Tätigkeit als Anwalt muss er, neben zwei Beiratsmandaten, nicht angeben. Dazuverdienen darf er so viel er will, auch wenn die Abgeordneten seit 2011 offiziell in „Vollzeit“ Politik machen.

Entsprechend stiegen ihre Diäten auf derzeit knapp 7500 Euro im Monat. Von öffentlichem Interesse wäre sein Engagement für Edeka gleichwohl, denn Berührungspunkte gab es schon früher – nicht nur in seiner Zeit als für Ernährung zuständiger Ressortchef bis 2005.

Als Minister mehrfach mit Edeka befasst

Als Minister in der Staatskanzlei betreute Stächele 2008 ein Projekt mit mehreren Partnern, darunter Edeka Südwest und der benachbarte Europapark Rust. Die etwas skurrile „Aktion Danke – eine Spezialität aus Baden-Württemberg“ sollte nach seinen Worten die Qualität heimischer Naturprodukte herausstellen. Heute erinnert er sich nicht mehr daran. Als Finanzminister geriet Stächele 2009 ins Visier der Opposition, weil das Land ein Grundstück in Rheinstetten bei Karlsruhe an Edeka verkaufte; dort steht heute ein großes Fleischwerk. Die Grünen rügten vor allem den Flächenverbrauch, auch der Preis wurde kritisch hinterfragt – aber alles mehrheitlich für in Ordnung befunden, auch von der SPD. „Grundsätzlich“ stellt Stächele eines klar: „Meine Entscheidungen als Bürgermeister oder Minister haben keiner unkorrekten Einflussnahme unterlegen.“

Gegenteiliges unterstellt ihm auch niemand – doch etwas mehr Offenheit wäre, auch allgemein, wünschenswert. Zur Mitte der Legislaturperiode hatten Grüne und SPD im Landtag jeweils Initiativen gestartet, um die Transparenz bei Abgeordneten zu erhöhen. Nebeneinkünfte, so ein Vorschlag, sollten künftig wie beim Bundestag zumindest in Stufen offengelegt werden, von einer gewissen Höhe an sogar exakt. Auch ihre Herkunft sei für das Volk von Belang: es wolle ja wissen, welchen Interessen seine Vertreter womöglich sonst noch verpflichtet seien. Die Schweigepflicht etwa bei Anwälten lasse sich wahren, indem zumindest die jeweilige Branche angegeben werde. Nach diesen Regeln müsste Stächele weitaus wesentlich mehr zu seinen Diensten für Edeka sagen.

Schärfere Regeln scheitern auch an der CDU

Nötig wäre eine solche Reform dringend, auch aus Sicht von Transparency International. Baden-Württemberg hinke mit seinen Regeln bundesweit deutlich hinterher, moniert Professor Wolfgang Jäckle, der Leiter der Arbeitsgruppe Politik der Antikorruptionsorganisation. Andere Bundesländer pflegten da weitaus mehr Offenheit: In Bayern müssten Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte neuerdings in zehn Stufen angeben, in Nordrhein-Westfalen auch deren Herkunft. Hamburg verlange sogar eine Karenzzeit von zwei Jahren, wenn einstige Regierungsmitglieder in die Wirtschaft wechselten. Meist bewege sich „nur durch Druck etwas“, weiß Jäckle – in München etwa infolge der „Verwandtenaffäre“ um Büromitarbeiter.

Im Südwesten scheint der Druck noch nicht groß genug zu sein. Nach monatelangen interfraktionellen Gesprächen versandeten die Vorstöße der Regierungsparteien, auch weil die CDU blockierte. Grüne und SPD hätten „ganz unterschiedliche Ansätze“ gehabt, nennt der Fraktionssprecher als einen Grund für das Scheitern. Man gehe davon aus, dass das Thema in der nächsten Legislaturperiode erneut auf den Tisch komme „und dann zu einer Entscheidung gebracht wird“. Die inzwischen vom Spitzenkandidaten Guido Wolf geführte Fraktion sehe „dieser Diskussion ergebnisoffen entgegen“. Und Willi Stächele? Die Frage, was er von mehr Transparenz hält, lässt der Ex-Minister ebenfalls unbeantwortet.