In der Politik wird manchmal scharf geschossen: Das versinnbildlicht auch das Porträt von Günther Oettinger, denn die Künstlerin Anke Doberauer hat neben seinem Kopf ein Einschussloch gemalt. Der frühere Ministerpräsident findet sein Porträt „treffend“

Stuttgart - Huch, was ist da passiert? Ein Schuss. Doch er ging daneben. Günther Oettinger ist nicht nur unversehrt, er blickt auch ungerührt von dem Gemälde herab, das am Freitag im Staatsministerium in die Galerie der verflossenen Ministerpräsidenten aufgenommen wurde. Oettingers Vorgänger hängen schon dort: von Erwin Teufel bis zu Reinhold Maier. Links oben im Bild findet sich ein dramatisch inszeniertes Einschussloch, der Clou des Porträts.

 

Oettinger, jetzt EU-Kommissar, war eigens zur Enthüllung des Bildes angereist. Das Einschussloch kommentierte er in der für ihn typischen Diktion: „Tatort Baden-Württemberg: knapp daneben, gesund geblieben, aber doch angreifbar gewesen.“ Ein ehrlicher Kommentar. Oettinger, der das Amt des Ministerpräsidenten mit großer Zielstrebigkeit angestrebt hatte und mit einem unglaublichen Einsatz ausübte, war in diesem Amt am Ende doch nicht glücklich geworden. Dabei setze ihm weniger der politische Gegner zu, vielmehr waren es etliche Parteifreunde, vorneweg der damalige Fraktionsvorsitzende Stefan Mappus.

Der Ex-Ministerpräsident guckt recht grimmig

Oettinger fand das Porträt jedenfalls im Wortsinn treffend. Es zeige: „In der Politik wird manchmal scharf geschossen.“ Auf dem Bild blickt der Ex-Premier etwas finster, desillusioniert, ja fast böse. Von alledem mag in Oettingers Gefühlshaushalt etwas dabei gewesen sein, als er 2010 die Villa Reitzenstein in Richtung Brüssel verließ. Auch prominente Parteifreunde in Berlin bis hin zu Kanzlerin Angela Merkel hegten wohl Zweifel, ob er den glanzvollen Erfolg der Landtagswahl 2006 fünf Jahre später noch einmal würde wiederholen können.

Was dem Porträt sicherlich fehlt, ist Oettingers knitze Art und seine Spottlust, die er auch bei der Präsentation aufblitzen ließ. Während Nach-Nachfolger Winfried Kretschmann sagte, er werde sehr gerne dereinst nahe bei Oettinger „hier in der Villa herumhängen“ – schätzungsweise aber nicht früher als im Jahr 2021, lobte Oettinger die gelungene Renovierung des Staatsministeriums. Schade sei nur, dass Kretschmann bald ausziehen müsse. Die Landtagswahl am 13. März lässt kein Politikergehirn mehr los.

Die Malerin sagt, Oettinger habe immer nur 90 Sekunden Zeit gehabt

Kretschmann wies Oettinger jedenfalls einen „sehr respektablen Platz“ in der Geschichte Baden-Württembergs zu. Er erinnerte an die Verdienste des CDU-Politikers bei der Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz: „Eine historische Leistung.“ Oettinger habe auch erste Schritte in Richtung Vereinbarkeit von Beruf und Familie unternommen und den Mut für pointierte Aussagen gezeigt.

Gemalt wurde das Porträt von Anke Doberauer. Die Professorin für Malerei und Grafik an der Akademie für Bildende Künste in München berichte, dass es nicht immer leicht gewesen sei mit Oettinger, einem Menschen, der nie mehr als 90 Sekunden Zeit gehabt habe zum Modell stehen. Sie sagte, jedes Bild entstehe unter dem Eindruck seiner Zeit, deshalb sei es ein „Zeitbild“.