Zwei ehemalige Mitarbeiterinnen sehen die Pleite der Bäckerei Lang als Chance und eröffnen eine eigene Filiale. Bis es so weit war, haben sie ihr Erspartes aufgebraucht und sich Geld geliehen.

Stuttgart - Strahlend stehen Fadik Düzgören und Münevver Demirbas hinter der Theke der neuen Bäckerei Herz an der Brommerstraße in Stuttgart-Vaihingen. Freundlich begrüßen sie jeden Kunden, halten hier und da ein Schwätzchen und zeigen stolz ihr Sortiment: „Die Laugenherzen und die Berliner in Herzform waren meine Idee. Schließlich passt es perfekt zum Geschäftsnamen und zum Valentinstag“, erzählt Düzgören. Und ihre Schwester Münevver Demirbas ergänzt: „Die Salate und die Kekse haben wir selbst gemacht. Für die Zukunft wollen wir unser Sortiment auch noch weiter ausbauen.“

 

Ende2018 sah es für die Schwestern gar nicht gut aus

Während die eine bedient, backt die andere Brezeln, schenkt Kaffee aus und hilft einer älteren Dame aus dem Laden. Es scheint fast so, als hätten sie nie etwas Anderes gemacht. „Ich habe 24 Jahre in einer Bäckerei gearbeitet. Der Duft von frischen Croissants und Brot hat mir einfach gefehlt. Heute stehe ich das erste Mal seit dem 24. Oktober 2018 wieder in einem Laden und ich bin wirklich glücklich darüber. Heute früh den Laden aufzuschließen, das war ein unbeschreibliches Gefühl“, so Düzgören.

Dass sie heute in ihrem eigenen Geschäft stehen, hätten die beiden noch vor wenigen Monaten nie für möglich gehalten. Denn Ende letzten Jahres sah es für die beiden Schwestern gar nicht gut aus. Nachdem ihr ehemaliger Arbeitgeber, die Bäckerei Lang, im Oktober 2018 Insolvenz anmeldete, wurde das Geld immer knapper, denn der noch ausstehende Arbeitslohn und das Insolvenzgeld wurden erst Ende Dezember überwiesen – beide Frauen mussten von ihrem Erspartem leben und sich Geld leihen.

Im Video: Bekannt wurde die Insolvenz im Oktober 2018. So ging es Mitarbeiterinnen kurz nach der Pleite.

Es gab nur eine Lösung

Und auch die Monate vor der Insolvenz haben die beiden nicht in guter Erinnerung: „Wir wurden am Ende nicht bezahlt, schlecht behandelt, mussten die Ware selbst einkaufen und wurden von Filiale zu Filiale geschickt. Es war einfach schrecklich“, erzählten die beiden Ende letzten Jahres in einem Interview mit unserer Zeitung. Darüber hinaus sei nach jahrelanger Arbeit im Traumjob aber vor allem die Arbeitslosigkeit das Schlimmste für sie gewesen: „Wir haben ja die Arbeit geliebt und sie mit Herz gemacht. Mir hat besonders der Kundenkontakt gefehlt. Das hat den Job immer schon für mich ausgemacht. Außerdem war uns ohne Arbeit einfach stinklangweilig,“ so Münevver Demirbas.

Die Aussichten auf einen neuen Job und einen neuen Chef schienen nach dem letzten Jahr wenig verlockend: „Ich hatte wegen der Behandlung der Inhaber die Nase voll von Chefs. Trotzdem wollten wir aber beide wieder in einer Bäckerei arbeiten,“ sagt Düzgören. Und so gab es für die beiden am Ende nur eine Lösung: Selbst zum Chef werden.

Bäckerei öffnet am Valentinstag

Aus einer zunächst im Spaß ausgesprochenen Idee wurde Ende Dezember, als das ausstehende Geld bei beiden auf dem Konto landete, ganz schnell ernst. „Meine Schwester träumte schon länger davon. Erst haben wir aber einfach rumgesponnen. Als auf einmal das Geld da war, haben wir angefangen wirklich ernsthaft darüber nachzudenken,“ so Demirbas. Genau zu diesem Zeitpunkt hörten sie von der leer stehenden Bäckerei an der Brommerstraße und arrangierten kurzerhand ein Treffen mit dem Vermieter – den Demirbas auch noch zufällig kannte „Deshalb sagen wir immer, diese Filiale hat uns gesucht und nicht andersrum“, ergänzt Demirbas lachend. Nach dem Treffen nahmen sich die beiden dann zwei Tage Zeit, um zu überlegen und unterschrieben Anfang Januar kurzerhand den Mietvertrag.

Heute, knapp eineinhalb Monate später, stehen sie pünktlich zum Valentinstag in ihrem frisch renovierten, eigenen Laden: „Es war schon eine stressige Zeit, aber es hat sich gelohnt. Wir sind heute sehr glücklich und mit ganzem Herzen bei der Sache. Deshalb passt auch der Name so gut,“ sagt Demirbas. Dass die Bäckerei Herz ausgerechnet am Valentinstag das erste Mal die Türen öffne, sei allerdings ein Zufall gewesen: „Es war klar, dass wir in dieser Woche eröffnen. Eigentlich war Freitag, der 15., angedacht. Doch kurz vorm Wochenende fand ich unpassend. Also entschieden wir uns für den Donnerstag. Erst mein Neffe sagte mir dann, dass das passenderweise der Valentinstag sei“, erzählt Düzgören, die zusammen mit ihrer Schwester nun endlich wieder optimistisch in die Zukunft blicken kann.