Stewart Copeland ist Mitbegründer und Schlagzeuger der Rockband The Police. Der Musiker hat aber auch Filmsoundtracks, Opern, Ballettmusiken und Konzerte komponiert. Einen Querschnitt aus alledem stellt er nun in Stuttgart mit Orchester vor.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Sich mehr Musik in die Familien-DNA schreiben zu lassen als Stewart Copeland scheint schlichtweg unmöglich zu sein. Geboren wurde er als Sohn des früheren Glenn-Miller-Trompeters, der eine Bruder sollte später das legendäre Label I.R.S. Records gründen und dort unter anderem R.E.M. und die Fine Young Cannibals groß machen, der andere Bruder betreute als Musikagent von den B-52’s bis The Cure mehr oder weniger alles, was in der frühen New-Wave-Ära Rang und Namen hatte. Im Nahen Osten, wo Copeland aufwuchs (sein Vater arbeitete dort dem Vernehmen nach für die CIA), eignete er sich die rhythmischen Strukturen der orientalischen Musik an, mit dreizehn Jahren begann er Schlagzeug zu spielen – und das weitere Wissensfundament legte Copeland schließlich mit einem Musikstudium in San Diego und Berkeley.

 

So viel zur Theorie, die dann durch die Praxis noch buntere Farbtupfer erhielt.

Mehr als nur Police-Star

Über die Band The Police, die Copeland 1977 mitgründete, müssen keine weiteren Worte verloren werden. Das Trio bescherte ihm Weltruhm und der Welt so unvergessliche Klassiker wie „Roxanne“, „So lonely“ oder „Every breath you take“ – und diese Lebensphase hat Stewart Copeland natürlich derart wohlhabend und künstlerisch renommiert gemacht, dass er sich aussuchen konnte, wie er nach dem vorläufigen Bandende 1986 und der endgültigen Auflösung 2008 seine Tage verbringen würde.

Ein musikalisch vielfältiges und ambitioniertes Leben neben The Police führte der sehr großgewachsene Drummer, der hinter seinen Trommeln immer ein wenig wie hinter einem Kinderschlagzeug wirkte, allerdings schon immer. Schon 1978 spielten er und seine Bandkumpanen mit dem – gebürtigen Stuttgarter – Dirigenten und Komponisten Eberhard Schoener das Crossoveralbum „Flashback“ ein. 1983 komponierte er seine erste Filmmusik für Francis Ford Coppolas „Rumble Fish“, der über sechzig weitere Soundtracks folgten, unter anderem für Blockbuster wie „Wall Street“, „9 1/2 Wochen“ oder „Highlander II“. Dazu schrieb er drei Ballettmusiken und jeweils zwei Opern und Orchesterwerke.

In seiner popmusikalischen Vita hingegen kann der auch musikstudiotechnisch sehr interessierte und unter anderem als Pionier des Synthesizer-Samplings versierte Copeland auf acht Soloalben und spannende musikalische Kollaborationen – etwa mit Les Claypool von Primus unter dem Bandnamen Oysterhead oder dem Avantgarde-Gitarristen David Fiuczynski – sowie mit Top-Prominenz wie Peter Gabriel, Tom Waits oder Roger Daltrey zurückblicken.

Diesmal mit Orchester

Breites öffentliches Interesse erweckte Copeland vor zehn Jahren mit seiner Musik zum Multimediaspektakel „Ben Hur Live“, das 2009 auch in Stuttgart zu sehen war. Und nun kehrt er, mit einem Querschnitt seines Schaffens, auf seiner aktuellen Tournee nach Stuttgart zurück. Mit dem Filmorchester Babelsberg will er in der Liederhalle seine Filmmusiken, eigene klassische Werke sowie alte, unverwüstliche Police-Songs aufführen.

„Ich habe in den vergangenen Jahren viele künstlerisch anspruchsvolle Dinge getan“, sagt Copeland am Telefon in seiner kalifornischen Wahlheimat Los Angeles, „doch ein guter Freund hat mir geraten, etwas zu relaxen und mal wieder meine populäreren Sachen zu spielen“. Copeland warnt aber zugleich, dass es sich bei seinem Konzert nicht um einen schlichten Abend voller netter Wiederhörensfreude in neuem Gewand handeln werde. „Nach zwanzig Jahren Erfahrung mit Orchestern weiß ich, wie man mit ihnen zusammenarbeitet. Der Abend ist kein Poporchesterding. Das ist nicht Metallica mit Orchester, sondern Orchester mit Orchester.“ Er selbst wird aber nicht schlagend hinter einer Pauke stehen, sondern ein ganz klassisches Popschlagzeug spielen. „Aber dezent“, fügt er lachend hinzu, und wortreich erklärt er sodann, wie ihn insbesondere die Möglichkeiten faszinieren, das Instrumentarium aus Pop und Klassik zu verschmelzen.

Trotz seiner lange Erfahrung mit großen Klangkörpern wird er jetzt allerdings erstmals Police-Songs gemeinsam mit einem Orchester aufführen. Die Arrangements, erzählt er in überzeugt gemessenen Worten, seien in einem langen und spannenden Prozess entstanden. Das Resultat habe aber nichts mit den hinlänglich bekannten und künstlerisch häufig unbefriedigenden Crossoverprojekten zu tun. „Sting würde mich töten“, meint er über seinen früheren, derartigen Crossoverprojekten nicht abgeneigten Bandkollegen, schiebt aber rasch nach, dass das nur im Scherz gemeint war, Sting aber gewiss überrascht wäre über das Resultat.

Das Programm bleibt geheim

Welche Police-Songs geboten werden, will er nicht verraten, weil er nicht preisgeben möchte, welches seine Lieblingssongs der Ex-Band sind – und er sie genau deshalb in sein Programm genommen hat. Die Frage nach einer möglichen Reunion der Band drängt sich da natürlich auf. „Wer weiß?“, beantwortet sie Copeland. „Wir hängen hier in Los Angeles öfter gemeinsam ab, aber wir sprechen da nicht drüber. Aber vielleicht tun wir das eines Tages mal, und dann werden wir die Band womöglich auch reaktivieren“, so der mittlerweile allerdings dem besten Rockeralter ein wenig entwachsene 68-Jährige.

„Vielleicht machen wir noch ein Oysterhead-Album“, sagt er und weckt zumindest die Hoffnung auf ein weiteres Leben im Popkosmos. Aber die relativiert Copeland auch gleich wieder, wenn er fasziniert über die Arbeit mit einem Orchester spricht, über seine Wissbegier und den Willen, seine Fertigkeiten weiter zu perfektionieren. „Mit einem Orchester zu spielen hat künstlerische Qualität, mit einer Rockband zu touren ist einfach nur harte Arbeit“, bilanziert er – nach einer vor der Tür stehenden Police-Reunion klingt das nicht gerade.

Wenn schon Rock, dann scheint sich Copeland eher auf die ambitionierten Projekte konzentrieren zu wollen. Auf die Supergroup Gizmodrome, die er vor zwei Jahren mit dem Level-42-Bassisten Mark King und dem King-Crimson-Gitarrist Adrian Belew zusammengestellt hat. Oder eben auf Oysterhead mit dem fulminanten Bassisten Les Claypool. „Les ist einer der klügsten Menschen des Planeten, wir sollten ihn zum Präsidenten wählen“, sagt der US-Bürger Copeland, und am Unterton hört man, dass er mit dem jetzigen Präsidenten seines Heimatlands nicht so recht zufrieden ist. „Not so much“, präzisiert er dazu knapp auf die diesbezügliche Nachfrage. Mehr zu diesem leidigen Thema, um das es sich zwangsläufig immer im Gespräch mit Amerikanern drehen muss, möchte er nicht sagen. Er möchte Musik für sich sprechen lassen, die, so Copeland, „weitaus mehr Gutes für die Menschheit bewirken kann als jeder Marktschreier, jeder Priester und erst recht jeder Politiker“.