Der frühere VfB-Profi Patrick Bauer ist auf dem steinigen Weg nach oben gekommen und gehört beim englischen Zweitligisten Preston North End zu den Publikumslieblingen. Am Ziel ist der 27 Jahre alte Innenverteidiger aber noch nicht.

Stuttgart - Die unbeschwerte Kindheit von Patrick Bauer endet auf dramatische Weise. Er ist ein Bub von neun Jahren, als er am 20. September 2002 mit seinem älteren Bruder bei einem Benefizspiel in Backnang zuschaut und Bilder sieht, die er nie vergessen wird. Im Team der Gastgeber spielt sein Vater Hans, ehemaliger VfB-Jugend- und Junioren-Nationalspieler, der zu Beginn der zweiten Hälfte leblos zu Boden sackt. Ärzte eilen herbei und können nicht helfen – plötzlicher Herztod mit 43 Jahren. „Von einem Moment auf den anderen war nichts mehr, wie es war“, sagt Patrick Bauer, „hätte meine Mutter das nicht so großartig gemeistert, wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin.“

 

Aus Patrick Bauer, inzwischen 27 Jahre alt, ist ein erfolgreicher Fußballprofi geworden. Keiner aus der ersten Reihe, keiner, der auf den Titelseiten der Sportmagazine steht und in den sozialen Netzwerken Millionen von Fans hat. Aber ein vor Kraft strotzender Innenverteidiger, der beim englischen Zweitligisten Preston North End zu den Publikumslieblingen zählt und den Sinn seiner Karriere nicht nur darin sieht, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld zu verdienen. „Mir ging es immer darum, mich persönlich weiterzuentwickeln.“

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Von seinem Heimatclub, der TSG Backnang, wechselt Bauer 2005 mit zwölf Jahren zum VfB, wird mit 16 deutscher Meister der B-Junioren und unterschreibt mit 18 einen Profivertrag. Zu mehr als zwei Einsätzen im DFB-Pokal reicht es aber nicht, weshalb sich Bauer 2012, mit 19, zum Vereinswechsel entschließt. Die zweite oder dritte deutsche Liga wäre eine naheliegende Lösung – doch wählt er die Ferne: die Blumeninsel Madeira, knapp tausend Kilometer vor dem portugiesischen Festland inmitten des atlantischen Ozeans. „Die perfekte Lösung“, sagt Bauer.

Patrick Bauer interessiert sich nicht nur fürs Fußballspielen

In der Heimat von Cristiano Ronaldo lernt er, was es heißt, sich ganz alleine durchbeißen zu müssen. Von der Reserve des Erstligisten Maritimo Funchal wird er bald in die erste Mannschaft befördert; nebenher engagiert er einen Privatlehrer, um möglichst schnell Portugiesisch zu sprechen. Er verstehe nicht, warum viele Fußballlegionäre auch nach mehreren Jahren nicht die Landessprache beherrschen, sagt Bauer: „Mir war es wichtig, die Zeit auch für andere Dinge als Fußball zu nutzen.“

Drei Jahre verbringt Bauer auf Madeira, dann folgt 2015 der Ruf aus England, dem gelobten Fußballland für zweikampfstarke Abwehrhünen. Er wechselt zum Zweitligisten Charlton Athletic und erlebt auch dort prägende Jahre, sportlich wie privat. Er genießt das Großstadtleben in London, lernt seine heutige Frau Gergana kennen, eine Bulgarin, und steigt mit seinem Club erst ab und dann wieder auf.

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Im entscheidenden Play-off-Spiel gegen Sunderland im Mai 2019, eine Woche nach der Geburt der ersten Tochter, ist es Bauer, der vor 76 000 Zuschauern in Wembley in der Nachspielzeit das entscheidende 2:1 erzielt. „Ein unbeschreiblicher Moment“, sagt Bauer, als er beim Heimatbesuch in einem Café in Backnang sitzt und auf seinem Smartphone das Video zeigt: „Ich bekomme noch immer Gänsehaut.“ Erst das Baby, dann die Heldenrolle beim Aufstieg – „so etwas passiert nicht durch Zufall“, sagt Bauer, „ich glaube fest daran, dass mein Vater da oben im Himmel seine Finger im Spiel hatte.“

Ein eigenes Fanlied – die höchste Form der Anerkennung

Im Sommer 2019 der nächste Karriereschritt, diesmal nach Preston im Nordwesten Englands. Dass er nun in der regenreichsten Region des Landes lebt, das spielt keine Rolle, denn auch hier lernt Bauer dazu: eine neue Mentalität, die ganz anders ist als die der Londoner; und eine neue Rolle als zentraler Führungsspieler im Team der „Lilywhites“. In der abgelaufenen Saison, in der Preston nach 46 Ligaspielen Neunter wird, gehört Bauer zu den drei besten Verteidigern der Liga. Kein anderer gewinnt so viele Kopfballduelle wie der Mann, den die Fans von Charlton ehrfürchtig als „Big fucking German“ besangen und dem auch der Preston-Anhang ein eigenes Lied widmete – höchste Form der Anerkennung für jeden Inselkicker.

In dieser Woche wird der 1,92-Meter-Mann nach England zurückkehren, um sich mit seinem Team auf die neue Saison vorzubereiten. Ein Platz in den Aufstiegs-Play-offs ist das Ziel von Preston North End, das sich mit dem Traum des Innenverteidigers deckt. „Eines Tages will ich in der Premier League spielen, der besten Liga der Welt“, sagt Patrick Bauer und ist sicher, „dass dies auch geschehen wird“.