Ulrich Ruf kennt finanzielle Krisen im Profifußball aus seiner Zeit als Finanzvorstand des VfB Stuttgart. Im Interview bewertet er die aktuelle Lage und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Ulrich Ruf kennt sich aus mit den wirtschaftlichen Belangen der Fußball-Bundesliga gut aus – 25 Jahre lang war der heute 64-Jährige Finanzvorstand des VfB Stuttgart. Im Interview mit unserer Redaktion bewertet er die finanziellen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus für den Profifußball.

 

Herr Ruf, Sie haben als Finanzchef des VfB Stuttgart einst die Kirch-Krise erlebt, die der Bundesliga extrem zugesetzt hat. Nun herrscht die Corona-Pandemie – und die DFL spricht wieder von Existenzängsten. Sind die beiden Fälle vergleichbar?

Ein wenig, ja. Damals ging es ja, wie es nun auch befürchtet wird, um den Wegfall von TV-Geldern, da der Kirch-Konzern der alleinige Rechteinhaber war. Die Bedeutung dieser Zahlungen war damals schon hoch, nun ist sie noch größer. Durch enorme Anstrengungen haben wir es damals geschafft, Liquiditätsprobleme und die Verluste zu verkraften und aufzufangen. Doch es gab einen entscheidenden Unterschied zur aktuellen Lage.

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Welchen?

Die Insolvenz der Kirch-Gruppe war irgendwann absehbar, und die Auswirkungen waren wegen der noch rund zweijährigen Vertragslaufzeit zeitlich klar eingegrenzt. Aber nun weiß keiner, wie lange der Ausnahmezustand anhält und über welchen Zeitraum hinweg fehlende Einnahmen drohen.

„Von der Hand in den Mund“

DFL-Chef Christian Seifert malt ein düsteres Bild, sieht die Existenz zahlreicher Clubs, ja der Bundesliga in Gefahr. Müsste eine Milliardenbranche wie der Profifußball nicht besser auf ein solches Szenario vorbereitet sein?

Zunächst einmal hatte den Fall einer Pandemie sicher keiner auf dem Schirm – da steht der Fußball nicht alleine. Auf der anderen Seite dürften nach wie vor Clubs von der Hand in den Mund leben und könnten nun tatsächlich Probleme bekommen.

Warum werden generell nicht mehr Rücklagen gebildet?

Man bewegt sich in den Vereinen immer in einem Spannungsfeld – einerseits sollte man Rücklagen und Liquiditätsreserven bilden, andererseits investieren, um sportlich erfolgreich zu sein. Letzteres wird ja auch öffentlich immer gefordert. Aber: An Rücklagen ist noch kein Verein zugrunde gegangen.

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Es heißt nun, Geisterspiele könnten entscheidend sein für die Entschärfung der Lage. Richtig?

Die fehlenden Einnahmen durch Zuschauer und Businessbereiche wären leichter zu verkraften als fehlende TV-Erlöse. Daher ist dies auch die zentrale finanzielle Frage: Bleiben tatsächlich Zahlungen der Rechteinhaber aus?

Die Spieler verdienen teils viele Millionen Euro. Ist es realistisch zu erwarten, dass die Großverdiener nun solidarisch auf einen Teil ihres Gehalts verzichten?

Man darf da nicht nur auf die Spieler schauen, sondern auch auf die Berater. Was dafür spricht: Die aktuelle Krise trifft europaweit die gesamte Branche. Die Spieler können also nicht wegrennen und in ein anderes Land wechseln. Selbst erlebt habe ich diesen Akt der Solidarität aber eigentlich noch nie.