Ein Blick über den Stadionrand hinaus: In der Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule stellen sich der ehemalige VfB-Star Thomas Hitzlsperger und der Buchautor Ronny Blaschke den Schülern.

Stuttgart - Für Fußballprofi Thomas Hitzlsperger dauerte das Spiel zwar auch die berühmten 90 Minuten, aber danach gab es für ihn nicht nur Allgemeinplätze und das Fokussieren auf den nächsten Kick. Der ehemalige Nationalspieler, 2007 mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister, entwickelte schon früh Interessen über seinen Beruf hinaus.

 

Für Ronny Blaschke war Sportjournalismus immer schon mehr als das reine Reportieren zum Beispiel von Fußballspielen. Der freie Journalist aus Berlin interessiert sich auch für die politische Seite des Sports, für die Wirkung von Profiklubs in die Gesellschaft hinein. In seinem Buch „Gesellschaftsspielchen“ geht er auch der Frage nach, ob soziale Projekte von Fußball-Klubs echtes Engagement sind oder doch eher der reinen Imagepflege dienen.

„Hitz The Hammer“ positioniert sich gegen Rassismus

Zwei kritische Geister, die sich den Schülern der Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule zu einer Diskussion stellten. Zu der Veranstaltung waren Wirtschaftsgymnasiasten gekommen, die allesamt auch Kaderathleten in verschiedenen Sportarten sind, darunter auch einige Jugendspieler des VfB. Dazu noch eine Klasse zukünftiger Buchhändler.

Sie alle erfuhren, wie eine Sozialisation vom Talent zum mündigen Athleten ablaufen kann. Hitzlsperger, der Junge vom Bauernhof aus Oberbayern, ging schon mit 18 Jahren alleine nach England, wurde Profi in Birmingham bei Aston Villa, weil er beim FC Bayern keinen Vertrag bekam. Weg von zu Hause, die Sprache lernen, sich durchsetzen – all das meisterte er, wurde selbstständig. Und „Hitz The Hammer“, wie man ihn wegen seines strammen Schusses auf der Insel nannte, hörte genau hin, wenn zum Beispiel schwarze Mitspieler rassistisch beleidigt wurden. „Da habe ich für mich entschieden, auch zu Dingen etwas zu sagen, die nichts mit dem Fußball zu tun haben“, erklärte er seinen Zuhörern. Hitzlsperger begann in seiner Freizeit viel zu lesen, vertrat in Interviews eine eigene, fundierte Meinung.

Das fiel auf, der Profi bekam unter dem Titel „Störungsmelder“ einen Blog in der „Zeit“, wurde mehr und mehr zum Sinnbild eines Athleten, der über den Stadionrand hinausschaut und einer der wenigen Profi-Fußballer der sich als homosexuell outete – allerdings erst nach seiner aktiven Karriere. Aktuell hat Hitzlsperger einen Vertrag als Berater des Vorstandes beim VfB Stuttgart. Und einen Rat an die Schüler: „Lebt euren Traum als Sportler, aber rechnet auch damit, dass es nichts wird und interessiert euch rechtzeitig auch für etwa anderes.“

Zwei Männer, die den Sport tiefer erleben

Interesse an Hintergründen hat auch Journalist und StZ-Autor Blaschke den jungen Leuten nahe gebracht. Wie passt das eigentlich zusammen, fragt er zum Beispiel, wenn ein Fußballklub wie der FC Bayern ins Trainingslager nach Katar fährt oder in Saudi-Arabien ein Trainingsspiel macht? Der gleiche Klub, der in Kurt Landauer einst einen jüdischen Präsidenten hatte, und der sich seither in antisemitischen Projekten engagiert? Fragen, die eben über den Rand des normalen Sportjournalismus hinausgehen.

Zwei Männer, die den Sport tiefer erleben – für die Schüler waren das interessante Einblicke, die sie aber auch ein wenig unsicher machten. Fragen an die beiden gab es so gut wie keine. Und wenn, dann von den künftigen Buchhändlern. Die jungen Sportler blieben stumm – im positiven Fall könnte man sagen, sie waren bereits fokussiert auf den nächsten Wettkampf. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.hitzelspergers-coming-out-wider-die-machowelt.c59dbcaa-df1d-4467-a352-3fb532cb1698.html